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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Bruder sei geschäftlich verhindert – und Nikodemia drängte darauf, dass sie das Angebot doch bitteschön annehmen sollten. Elsa war entschieden dagegen. Ob es Morawenas Einfluss oder ihren eigenen Reizen zu verdanken war, wusste sie nicht, jedenfalls stand sie hier hoch im Kurs bei den Herren und es lag auf der Hand, dass sich der eine oder andere durch die Sommerregelung einen romantischen Zwischenfall erhoffte.
    „Na und?“, pflegte Morawena dann zu sagen. „Willst du auf jeglichen Spaß verzichten, bis du ein altes Weib bist, nur weil du dich in frühester Jugend in einen Postkartenhelden verknallt hast?“
    „Sobald es mir Spaß macht, mit Gustave Pinet in einer Schaukel zu sitzen und ihm den Nacken zu massieren, wie er es mir neulich vorgeschlagen hat, werde ich es tun. Sollte er mich aber dazu zwingen wollen, bevor ich Spaß daran entwickelt habe, fürchte ich, dass er für den Rest seines Lebens humpeln oder noch Schlimmeres erleiden wird, weil es Situationen gibt, in denen ich mich nicht beherrschen kann. Das möchte ich vermeiden.“
    „Vielleicht reißt du dich einfach zusammen“, sagte Morawena. „Es reicht, wenn du ihm eine saftige Ohrfeige verpasst.“
    „Ich will ihm gar nichts verpassen. Ich will hier wohnen bleiben, in meinen eigenen zwei Räumen, und niemandem etwas schuldig sein. Aber du kannst gerne bei den Pinets wohnen, niemand hindert dich daran.“
    Dazu hatte Morawena keine Lust. Vielleicht hieß das, dass sie Wert auf Elsas Gesellschaft legte, und wenn auch nur, um bei Bedarf jemanden zu haben, den sie ärgern konnte. Auch Nikodemia blieb nicht konsequent bei seinem Wunsch, sie beide loszuwerden. In Wirklichkeit, dessen war sich Elsa sicher, genoss er die Abende, an denen sie zu dritt auf dem engen Balkon saßen, Wein tranken und bei Kerzenschein Karten spielten.
    Fast vier Monate vergingen in Fonorr auf diese Weise und bald stellte sich nicht mehr die Frage, wo Morawena und Elsa ihren Sommer verbringen würden, denn der war fast vorüber. Elsa hatte Kamarks Knotentechnik verfeinert und wusste auf diese Weise dank ihrer Armbänder, über die Tages- und Nachtzeiten von drei Welten Bescheid: Sommerhalt, Istland und Wenlache. Ab und zu verglich sie ihre Knoten mit Morawenas Strich- und Schnörkelliste in deren Notizbuch, damit sie auch ja keinen Fehler machte und den richtigen Tag verpasste. Die Wintersonnenwende in Sommerhalt war schon vergangen und der Tag des verabredeten Treffens in Wenlache rückte immer näher. Es waren noch drei Wochen bis dahin.
    Elsa war unschlüssig, ob sie hingehen sollte. Ob sie es tun durfte, obwohl es falsch war. Ob sie es lassen könnte, wenn sie sich das fest vornähme. Sie war häufig alleine in den Bergen unterwegs, ohne Hut und ohne Korsett, dafür im Reisekleid und der Strickjacke, die sie von Amandis bekommen hatte. Dann fühlte sie sich zurückgeworfen in die Natur, auch in ihre eigene. Dieser Natur blieb sie treu, weil sich alles andere falsch und fremd anfühlte.
    Mit Anbar war es genauso. Er war die einzige menschliche Entsprechung zu ihrer Natur, die sie kannte. Was er sagte oder tat, führte immer dazu, dass sie einen Blick in sich hineinwarf und staunte. Er kam ihr vor wie ein Schlüssel zu ihrem persönlichen Geheimnis und ohne den Schlüssel würde sie ahnungslos bleiben. Den Schlüssel absichtlich zu meiden, das war ein schwieriges und freudloses Unterfangen. Sie hielt es aber auch für möglich, dass die ganze Schlüssel-Idee Unsinn war und sie in Wirklichkeit nur geküsst werden wollte. Nicht von Gustave Pinet oder Robert Sovulat, sondern von einem grimmigen Postkartenhelden, der unerreichbar war und blieb.
    Neun Tage vor Elsas Verabredung in Wenlache passierte etwas Unvorhergesehenes. An diesem Tag gerieten Morawena und Nikodemia mal wieder in Streit. Der Anlass war nicht entscheidend, er diente nur dazu, zwei schlecht gelaunte Raben übereinander stolpern zu lassen. Unter anderem regte sich Morawena darüber auf, dass Nikodemia ihr Geld in windige Geschäfte steckte, die bisher noch keinen Gewinn abgeworfen hatten, was ärgerlich war, da ihnen allmählich das Bargeld ausging. Daraufhin schlug Nikodemia vor, sie solle doch, statt zu meckern, ihre geschmacklosen, aber teuren Schmuckstücke beleihen, die sie sich von blöddreisten Männern schenken lasse, obwohl sie doch mit dem fetten König von Sommerhalt so gut wie verlobt sei.
    Das brachte Morawena in Rage. In eiskalter Herablassung betonte sie, dass Nikodemia den ranzigen, öligen

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