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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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du ihn offensichtlich auch nicht, sonst wäre es nicht so weit gekommen. Aber wenn er unsterblich in dich verliebt wäre, dann hätte er sich von dir verabschiedet, er wäre gekommen, er hätte gar nicht anders gekonnt. Finde dich damit ab, dass seine Liebe nicht so brennend ist wie deine. Das ist kein grausames Schicksal, sondern die älteste Geschichte der Welt, dass man nicht den bekommt, den man gerne hätte. Deswegen musst du nicht aufhören zu essen oder zu atmen. Vergiss es, lass es hinter dir und fang von vorne an. Du könntest so viel Spaß haben – denk an Fonorr, da hattest du die freie Auswahl! Es ist doch viel besser so. Wenn du die ganze Zeit geglaubt hättest, dass dich nur der Krieg von Anbar trennt, dann hätte dich das ausgebremst.“
    Elsa hörte zu, weil sie nicht weglaufen konnte. Am liebsten hätte sie sich die Ohren mit Kürbiskraut verstopft. Sie wusste es besser als Morawena: Ihre Zukunft war leer. Darin gab es nichts, was ihr Spaß machen würde, und schon gar nichts, was sich auch nur im Entferntesten wie ein Sinn anfühlen könnte.
    „Ihr könnt ohne mich nach einer Welt suchen“, sagte Elsa. „Wenn ihr einen guten Ort gefunden habt, dann kommt zurück und holt mich. Ich bin gerne allein.“
    „Bestimmt nicht hier!“, widersprach Morawena und zeigte nach draußen, wo es heftig regnete und sich das Grau des Waldes mit dem Grau dem Himmels verwusch.
    „Ich bin einiges gewohnt“, erklärte Elsa. „Ein echter Wald ohne Tiere und Menschen macht mir keine Angst.“
    Nikodemia stand wortlos auf und packte seine Sachen zusammen.
    „Hör auf, Niko!“, rief Morawena. „Wir können sie nicht hier lassen.“
    „Warum nicht?“, fragte er. „Lass ihr doch ihren Willen, sie ist groß genug. Wenn sie dann nachts mit den Zähnen klappert und sich die Haare rauft, freut sie sich wenigstens, uns wiederzusehen.“
    Morawena ließ sich überreden, für eine Woche ohne Elsa loszuziehen, und Elsa frohlockte. Keine Grimassen mehr von Nikodemia und keine Predigten mehr von Morawena – was für eine Wonne! Ganz alleine würde sie ihren Gedanken und Träumen nachhängen. Niemand würde sie dabei stören, unglücklich zu sein. Sie versicherte den beiden, dass sie genug zu essen finden und auch sonst klarkommen würde. Dass ihr warm genug war. Dass sie keine zweite Decke brauchte.
    „Du weißt, was du tust?“, fragte Nikodemia noch mal, ganz am Schluss. Er schaute ihr ernst in die Augen.
    „Ja, ganz genau“, antwortete sie und schaute fest zurück.
    Das überzeugte ihn. Er ging zum Höhlenausgang, um Morawena zu folgen, die schon vorausgeflogen war. Bald sah Elsa nur noch seine dunklen Umrisse in dem hellen Vorhang aus Regen. Er flog davon, ein grauer Fleck, der sich im Himmel auflöste.
    Eine ganze Weile starrte sie in den Regen hinaus. Ein bisschen wurde sie von Angst geplagt, als sie ahnte, dass die beiden ihre Welt verlassen hatten. Es durfte nichts dazwischen kommen. Der Gedanke, dass sie Nikodemia und Morawena für immer verlieren könnte, irgendwo in der Unendlichkeit dieses Universums, der war furchtbar. Aber was sollte schon passieren? Es war ja nur eine Woche. Nur eine Woche in einer unbewohnten Welt, sie musste nur warten, mehr nicht.

KAPITEL 36
     
    Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ihr so schwer fallen würde. Morawena hatte mit ihren Bedenken recht gehabt, vielleicht hatte sie ja mit allem recht gehabt. Auch damit, dass Liebeskummer einen Menschen nicht davon abhalten sollte, Spaß zu haben. Hier im verregneten, schwülen, unbelebten Dschungel Spaß zu haben, war allerdings so gut wie unmöglich. Die einzigen Lebewesen, die Elsa Gesellschaft leisteten, waren die Pflanzen. Wuchernde, endlos grüne Pflanzen, die in Pfützen standen. Hatte es anfangs nur am Nachmittag geregnet, so regnete es jetzt von morgens bis abends. Nur nachts, wenn Elsa wach lag, regnete es nicht. Dann hörte sie, wie das Wasser des Tages von den Pflanzen rann und tröpfelte, und lauschte, ob da noch andere Geräusche wären – womöglich das Geraschel oder Geflüster, wie es die Möwen immer von sich gaben, wenn sie in der Nähe waren. Elsa war schon so weit, dass sie sich regelmäßig einbildete, etwas Unerklärbares zu hören. Gleichzeitig war sie überzeugt davon, dass sie in Wirklichkeit alleine war.
    Ihre Zündhölzer waren bald so feucht, dass man sie nicht mehr anzünden konnte. Ihr einziges Licht in der stockfinsteren Nacht war Anbars Stein. Aber ihn anzusehen, machte sie traurig. Es war mal so

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