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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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gefasst und abtransportiert oder die beiden waren schlauer gewesen als Elsa, hatten den Braten gerochen und waren rechtzeitig geflohen. Elsa hoffte inständig, dass sie es geschafft hatten, und das war erst mal der einzige klare Gedanke, den sie noch fassen konnte. Zu bizarr war diese Situation. Zu ungläubig war sie, dass es sie tatsächlich erwischt haben sollte. Das Verfahren – es würde sie vernichten. Die Gerätschaften und die Geschäftigkeit um sie herum legten nahe, dass es hier an Ort und Stelle geschehen sollte.
    Es waren nur Männer, die Elsa festhielten, allesamt Möwen, sie sah es an den Zwischenraumfäden, die sie umgaben. Sie gaben sich keine Mühe, sie zu schonen, sondern drehten ihr die Arme so heftig am Rücken nach oben, dass sie vor Schmerzen aufschrie. Sie schnürten und fesselten sie, damit sie sich ihren Feinden auch bestimmt nicht entwinden konnte, und zogen die Fesseln so fest, dass sie glaubte, das Blut in ihren Armen und Beinen werde sofort aufhören zu fließen. Während der ganzen Zeit war sie von einer erstickenden Menge von Zwischenraumgespinsten umgeben, unsichtbar zwar, wenn sie den Blick vom Zwischenraum abwandte, doch eine Qual für das Freiheitsbedürfnis ihrer Seele. Nicht nur ihr Körper, auch ihr Innerstes war eingeschnürt. Dass das ihr letztes Erlebnis sein sollte, wie ein Päckchen eingewickelt zu sein, bis alles vorbei wäre, das wollte ihr gar nicht in den Kopf gehen. Sie war sehr verwirrt, hörte, dass um sie herum gesprochen wurde, verstand aber nicht, worum es ging. Als sie merkte, dass ihre Hände gefühllos wurden und sich eine schmerzhafte Kälte zu den Armen hin ausbreitete, erwachte sie aus ihrer Fassungslosigkeit. Wie wütend sie war, hörte sie ihrer Stimme an, als sie den Möwenmann, der ihr am nächsten war, anfuhr, er solle gefälligst die Fesseln lockern, ihr stürben gerade die Hände ab.
    Das war kein Argument für den Möwenmann. Wozu braucht ein Rabe, der kurz vor seiner Auslöschung steht, noch durchblutete Hände? Dennoch beriet er sich mit den anderen, die zu bedenken gaben, dass es sich wahrscheinlich um einen billigen Trick des Raben handle. Das Mädchen wolle nur eine Unachtsamkeit nutzen, um sich zu befreien.
    „Das stimmt nicht!“, schrie Elsa aufgebracht. „Es tut weh, verdammt noch mal!“
    Die Dringlichkeit in ihrer Stimme ließ die Leute aufhorchen, die in nächster Nähe an Apparaturen herumfummelten, ebenso wie einen Kommandanten, der den Befehl über die bewaffneten Männer und Frauen am Eingang der Höhle hatte. Er kam näher und fragte, was los sei. Als ihm die Möwen erklärten, der Rabe beklage sich über die Fesseln, machte sich der Kommandant selbst ein Bild. Sie hätte schwören können, dass er ein Antolianer war. Seine Stimme klang so mitfühlend.
    „Die Fesseln sind zu eng“, entschied er. „Das ist Quälerei. Bindet die Arme tiefer und schnürt ihr nicht das Blut ab.“
    Die Möwen taten, was er sagte, denn sie waren keine Unmenschen. Sie wollten nur ganz sicher sein, dass ihnen kein Fehler unterlief. Es war eine große Erleichterung für Elsa, als sie ihr die Arme auf weniger unbequeme Weise am Rücken festbanden. Als Leben und Blut in ihre Hände zurückkehrten, verflog ihre Wut.
    „Danke“, sagte sie.
    „Bitte“, sagte einer der Männer. „Es war keine böse Absicht.“
    Es hatte etwas Entmutigendes, wie er das so sagte. Hier saß sie nun, gefesselt, festgehalten und zum Tode verurteilt wie eine Schwerverbrecherin. Ob sie tatsächlich eine Schwerverbrecherin war, darüber konnte man sich streiten. Jedenfalls hatte sie schon viel Übles verursacht. Dass es nun an allen Ecken und Enden brannte, war mindestens zu einem Drittel ihr zu verdanken. Die Leute, die hier ihre Pflicht taten, wollten Schlimmes verhindern: Kriege, Tote, das Ende der Menschheit. Sie waren die Guten. Was sie gerade taten, das taten sie nicht gern. Sie konnte es den Möwen an den Gesichtern ablesen: Die hatten keinen Spaß, die hofften nur, dass es endlich vorbei wäre. Aus und vorbei, damit sie nach Hause gehen und anfangen könnten, es wieder zu vergessen.
    Eine Frau schaute sich Elsa aus sicherem Abstand an. Elsa vermutete, dass sie eine Wissenschaftlerin war. Eine, die am Verfahren mit herumgebastelt hatte und nun hoffte, dass es so funktionierte, wie sie sich das vorgestellt hatte. Sie hielt einen Glaskörper mit einer Flüssigkeit in der Hand. Ihr Schatten wurde vielfach an die Höhlenwand geworfen. Elsa fiel auf, dass das viele Licht in der

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