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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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knallgelben Koffer ab, von dem Julius bei anderer Gelegenheit einmal vermutet hatte, dass er im Dunkeln leuchte.
    Gedankenverloren drückte Herbie ihr ein paar Münzen in die Hand und schloss hinter ihr die Türe.
    Die Aussicht war gigantisch. Gleißendes Sonnenlicht beschien die farbenfrohe Kulisse des herbstlichen Eifelwaldes zu ihren Füßen. Feurig schickte das rote und gelbe Laub einen herbstlichen Schein zu ihnen herauf, der auch in weiter Entfernung, über den sanft geschwungenen Kuppen der Berge, nicht an Intensität verlor. Der Aremberg ragte imposant aus dem Flammenmeer empor. Talwärts und in großer Entfernung entdeckte Herbie ein paar Häuser. Das musste Buchscheid sein.
    Buchscheid, in dem Rosi gelebt hatte.
    Herbie versuchte, sich daran zu erinnern, wo dieser Steinbruch gewesen war, in dem es passiert sein musste.
    Ich bin gespannt, wie der Rest des Personals beschaffen ist. Vielleicht wird uns ja bei Tisch ein Buckliger servieren. Würde mich nicht wundern, wenn die ihr Personal saisonweise an die Geisterbahn vermieten .
    »Was interessiert mich deren Personal? Du hast doch auch die Zeitung gelesen, stimmt’s? Gib’s ruhig zu!«
    Gewiss. Eine tragische Geschichte, aber ich möchte deine geschätzte Aufmerksamkeit doch noch einmal für einen kurzen Augenblick auf unser Tausendschönchen von vorhin lenken .
    »Was ist mit ihr? Sie ist hässlich, na und? Ich habe nicht vor, mit ihr ins Kino zu gehen.«
    Trotzdem .. .
    »Rosi ist tot, verstehst du? Sie telefoniert mit Richard, er kommt nach Hause, und sie ist tot. Sieht so aus, als habe das Schicksal unbedingt verhindern wollen, dass die beiden aufeinandertreffen.«
    Sicherlich, sie ist hässlich wie die Nacht, aber hättest du für einen Moment deinen Blick einmal woanders hingelenkt als beständig auf ihren abstrakten Riecher .. .
    »Das Schicksal oder vielleicht irgendwer anders?«
    Ihre Hände .
    »Ich muss diesen Artikel lesen, Julius. Unbedingt! Vielleicht enthält er was Genaueres. Erst räum ich mein Zeug aus, dann mache ich mich frisch ... das tut man doch nach der Anreise, oder?«
    Ihre Hände, wie ich bereits sagte. Und auch die Unterarme .
    »Und dann gehe ich in die Halle und hole mir diesen ... Was ist denn mit ihren Händen, zum Teufel? Sind sie angenäht? Würde mich nicht wundem, wenn Reißverschlüsse dran wären, so wie in den alten Boris-Karloff-Filmen.«
    Kratzer, mein Teuerster. Lange, kurze, blutverkrustete. Und Pflaster. Das ließe den Schluss zu, dass sie entweder in der Küche arbeitet und vor lauter Nase nicht sehen kann, wo sie gerade mit dem Fleischmesser rumfuhrwerkt, oder aber .. .
    »Oder was?«
    Das graue Telefon, das in einer Wandhalterung neben dem Kopfende des Betts befestigt war, sandte einen unmelodischen Piepton aus. Verunsichert blickte Herbie seinen Begleiter an. Dieser brachte mit gerunzelter Stirne und heruntergezogenen Mundwinkeln zum Ausdruck, dass er gleichfalls keinerlei Ahnung habe, wer das sein könnte. Dabei wussten sie es doch beide bereits.
    »Ja, Tantchen«, sagte Herbie nervös nickend in den Hörer. »Nein, wir ... ich bin gerade erst angekommen. Wir? Nein, nein ... ein Versprecher, nichts sonst. Nein, habe ich noch nicht. Wie gesagt: Ich bin gerade eben erst ... ja, natürlich. Sofort!«

Viertes Kapitel
    So, der wäre also jetzt unter der Erde«, grummelte Pastor Rövenstrunck, als die Messdiener abgezogen waren, und entzündete eine fette, billige Zigarre an der noch schwach glimmenden Glut in der Weihrauchampel. Er sog gierig an der graubraunen Kuppe der Tabakstange. Sein Mund schmiegte sich nuckelnd um das Ende, und seine Wangen wölbten sich bei jedem heftigen Saugen tief nach innen.
    »Oller Raben-Päul. Jetzt bist du endgültig weg vom Fenster!« Und bei dem Gedanken daran, wann wohl die erste Krähe triumphierend auf das erbärmliche Holzkreuz schiss, das das Grab des alten Irren zierte, kam seine Atemtechnik für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Gleichgewicht, und er hustete kräftig.
    Durch die halb offen stehende Türe der Sakristei erkannte er Richard Kley, der, vom Friedhof kommend, den Kiesweg zur Straße entlangschritt. Wo hatte dieser Kerl bloß so rasch den dunklen Mantel aufgetrieben? Aber richtig, er war ja eigens zu dieser Beerdigung wieder zurückgekehrt.
    Der Pastor streifte sich hastig das Gewand ab und warf es unachtsam über einen Stuhl. Er beeilte sich, die Sakristei zu verlassen und abzuschließen, um Richard noch zu erwischen.
    »Richard, Momentchen noch«, rief er

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