Rabenschwarz
die Benutzung dieser Maschinerie . Herbie blickte zerknirscht auf seine Wildlederschuhe, die nun den Eindruck vermittelten, als habe er mit ihnen mindestens drei Kontinente durchwandert. Während sie zum Aufzug gingen, konnte Herbie den Blick nicht von ihnen abwenden. »Wir werden versuchen, diese Vogelscheuche hier irgendwo ausfindig zu machen. Ich denke, wir sind bei ihr auf der richtigen Spur, nicht wahr?«
Zweifellos. Aber, was gedenkst du sie zu fragen? Du wirst doch wohl kaum zu ihr hingehen und sagen: Hund raus, gemeine Entführerin, oder ich hole meine Tante! Das würdest du doch nicht, oder? Er sah Herbie nachdenklich an und murmelte: Oh Gott, doch, das würdest du wahrscheinlich!
»Würde ich nicht! Du wirst sehen, ich werde ihr ein paar teuflisch unverfängliche Fragen stellen, auf die sie ein paar tödlich entlarvende Antworten geben wird, und dann ...« Er beendete den Satz, als sich die Lifttüre im Erdgeschoss öffnete.
In der Hotelhalle herrschte reger Betrieb. Restaurantgäste mischten sich unter Seminarteilnehmer und Hotelbewohner, und während die Ersteren den Heimweg antraten, begaben sich die anderen in die hauseigene Hotelbar, um nach einem trockenen Tag der Theorie einen feuchtfröhlichen Abend der Praxis folgen zu lassen. Herbie schlenderte zu der Sitzgruppe und ließ den Kölner Stadt-Anzeiger wieder zurück auf den Zeitungsstapel gleiten, von wo er ihn am Vormittag ausgeliehen hatte. Er bemühte sich, dies möglichst unauffällig zu tun, um nicht mit dem darin fehlenden Zeitungsartikel über Rosemarie Kleys Tod, den er mithilfe seiner Nagelschere ausgeschnitten hatte, in Verbindung gebracht zu werden. Von der Rezeption winkte hektisch und albern wieder einmal die Kongresstante, die gerade, von einem Bein auf das andere hüpfend, damit beschäftigt war, irgendwelche hochwichtigen Sitzplatzfragen für den kommenden Tag mit der Hotelangestellten zu klären. Die Besetzung der Rezeption hatte im Verlauf des Tages gewechselt.
Scheint so, als habe diese Dame ein Faible für Staubsaugervertretertypen in blank gelatschten Wildlederschuhen .
Herbie hatte nicht gemerkt, wie sich von links eine Gestalt genähert hatte. »Herr Lohse?«, tönte eine sonore Männerstimme. Erschrocken wandte er sich zur Seite. Ein groß gewachsener, glatzköpfiger Endfünfziger in tadellosem schwarzen Zwirn hatte sich neben ihm aufgebaut. Verblüfft wandte Herbie den Kopf für einen Augenblick zur anderen Seite und sah Julius fragend an. Der Mann quittierte diese unsichere Bewegung Herbies mit skeptischem Stirnrunzeln.
»Äh, ja. Lohse. Der bin ich. Lohse, Hans-Bert. Genau. Guten Tag.« Herbie reichte ihm die Hand. Der Fremde schüttelte sie erfreut, und unter seinem buschigen Seehundeschnauzbart zeigte sich ein zufriedenes Lächeln.
»Der Mann von Zimmer 317, wie schön! Gestatten, mein Name ist Faßbender. Ich bin der Geschäftsführer dieses Hauses.«
Erwischt! Julius klatschte sich amüsiert auf die fetten Schenkel. Keinen Tag hat es gedauert, bis dein Schwindel aufgeflogen ist .
»Nett, Sie kennenzulernen, Herr Faßbender.« Herbies Stimme zitterte. Sollte es das wirklich schon gewesen sein? War die Zeit von Hans-Bert Lohse abgelaufen, noch bevor er sich so richtig in die Ermittlungen hatte stürzen können? Steckte am Ende sogar Tante Hetti dahinter? Es war durchaus möglich, dass er vorhin am Telefon zu dick aufgetragen hatte.
In diesem Moment fuhr ein Taxi vor dem gläsernen Portal vor, und eine Gruppe älterer Herrschaften erhob sich kollektiv ächzend aus den Polstern der Sitzgruppe. Faßbender wies beflissen mit einer einladenden Handbewegung auf die frei gewordenen Sessel. Zögernd folgte Herbie dieser Aufforderung und beobachtete zu seinem Entsetzen, dass Faßbender sich auf einem Zweisitzer niederließ, auf dessen freiem zweiten Polster sich der feixende Julius platzierte.
»Wie gefällt es Ihnen in unserem Hause?«, wollte der Hotelchef wissen, und entschuldigend schickte er sofort hinterher: »Ich hoffe, ich halte Sie nicht von etwas Wichtigem ab.«
Herbie verneinte zaghaft und fügte hinzu, dass ihm seine Unterkunft ausgesprochen gut gefalle.
Besonders der Schuhputzautomat leistet ganze Arbeit. Selbst bei Wildlederschuhen !
Verzweifelt bemühte sich Herbie, die ramponierten Schuhe aus dem Blickfeld des Hoteliers zu halten.
»Wissen Sie, Herr Lohse, wir bemühen uns um Exklusivität in diesem Haus. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir uns hier behaupten konnten. Die
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