Rabenschwarz
rufen lassen, weil er das Gefühl hatte, dass es langsam den Berg hinab mit ihm ging, benahm sich der Pastor so eigenartig.
Sie strich mit ihrem schwieligen Zeigefinger über den Innenrand des Likörgläschens, um auch den letzten Tropfen des appetitlichen Getränks zu erhaschen. Genussvoll leckte sie den Finger ab, als Pastor Rövenstrunck in die Küche polterte. Er hielt in der Linken eine Handvoll Zettel und schwenkte mit der Rechten seine Lesebrille. »Diese Predigt kostet mich die letzten Nerven! Was soll ich dieser Familie zum Trost mit auf den Weg geben, den sie jetzt ohne dieses junge Geschöpf weitergehen soll? Ich sehe sie schon alle da sitzen. Mit rot geheulten Augen, den tiefen Schmerz in den Herzen, und der Herr Pastor brabbelt irgendwas vom Ewigen Leben.« Er nahm der verwirrten Haushälterin die Flasche aus den Händen und setzte sie an den Hals. Frau Stoffels beobachtete seinen tanzenden Adamsapfel mit wachsendem Entsetzen. »Niemals habe ich so viel Angst vor einer Trauerfeier gehabt, das können Sie mir getrost glauben!« Er wischte sich den roten Likör aus den Mundwinkeln. »Da muss man erst so ein alter Furz werden ... Nee, halt, vor meiner allerersten Beerdigung hatte ich auch eine Mordsangst.« Seine Augen begannen zu leuchten, was Frau Stoffels auf den Likör zurückführte. »Ist auch prompt schiefgegangen damals! War mitten im Winter. Der Weihrauch war knapp, da habe ich Papierschnipsel druntergemengt, damit es noch zu ein paar Qualmwölkchen reichte. Prompt steht mitten auf dem Weg zum Grab, im dicksten Schnee, das ganze Weihrauchfässchen in Brand! Muss rasend komisch ausgesehen haben, als ich es in die nächstbeste Schneewehe gehauen und mich dabei auf den Allerwertesten gesetzt habe.« Er lachte schnarrend und schickte nachdenklich hinterher: »Das war ganz am Anfang ... in Kleve. Und heute sitze ich hier in diesem Kaff. Liebes, gutes Stoffelchen, können Sie mir sagen, warum ich nicht am Niederrhein geblieben bin? Warum musste ich bloß in die Eifel kommen? Haben Sie vielleicht eine Ahnung? Und jetzt kommen Sie mir bloß nicht mit Berufung oder ähnlichem mittleren Blödsinn!« Er kramte eine bedrohlich fette Zigarre hervor und entzündete augenblicklich ein Streichholz an der bläulichen Flamme des Gasherds, auf dem Frau Stoffels gerade Wasser für einen Tee aufbrühte.
»Nicht hier in der Küche!«, unterbrach sie seinen Monolog. »Das war so ausgemacht.«
Er starrte sie mit zwischen den Lippen baumelnder Zigarre entgeistert an und polterte mit einem Mal los: »So! Nicht in der Küche, was? Da sage noch mal einer in meinem Beisein, die Niederrheiner seien stur! Die Eifeler ... ja genau, die Eifeler, das kann ich Ihnen sagen, sind das sturste Pack, das mir in meinem ganzen Leben begegnet ist!« Ruckartig riss er sich die Zigarre aus dem Mund, machte auf den Absätzen kehrt und rief im Hinausgehen: »Dann werde ich jetzt eben noch ein wenig eure verfluchten Eifelwälder vollpaffen. Schade, dass Herbst ist, da fallen die Blätter ohnehin von den Bäumen. Sonst hätte ich sie schon heruntergequalmt, das können Sie mir glauben!« Donnernd flog hinter ihm die Türe ins Schloss.
Frau Stoffels schaltete seufzend den Gasofen aus und schickte sich an, ihm hinterherzueilen. »Herr Pastor«, rief sie in resignierendem Tonfall, »wenn Sie schon um diese Uhrzeit raus müssen, dann ziehen Sie sich wenigstens die gefütterten Schuhe an! Es ist kalt geworden. Sonst stehen Sie morgen da und sind bei der Beerdigung auch noch heiser!«
* * *
Du stinkst wie die Parfümerieabteilung des Kölner Kaufhof!
Herbie ignorierte Julius’ wohlmeinende Kritik und betrachtete interessiert die Schuhputzmaschine auf dem Hotelflur. Per Knopfdruck drehten sich drei Rundbürsten in Fußhöhe, und mithilfe einer kleinen Vorrichtung, ebenfalls am unteren Ende des Geräts, konnte man verschiedenfarbige Schuhcreme auf seine Schuhspitzen träufeln, die dann von den rotierenden Bürsten in das Schuhwerk einmassiert wurden. Diese Maschine faszinierte ihn. So etwas hatte er noch nie gesehen.
Oder besser noch: Wie ein orientalisches Freudenhaus .
»Ich habe mich ein wenig abendfein gemacht. Da gehört auch ein dezentes Duftwasser dazu«, murmelte Herbie und entschied sich angesichts seiner Schuhe für die Schuhcremesorte ›Farblos‹. Ein angenehmes Kribbeln machte sich in seinen Fußspitzen breit, während die Bürsten schrubbend darübersausten.
Fataler Fehler, Teuerster. Nicht nur dein Eau de Toilette, sondern auch
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