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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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Geste ließ er die Türe aufschwingen, betätigte einen verborgenen Lichtschalter und sagte »Vorsicht, Stufe!« angesichts der alten Steintreppe, die in einen Gewölbekeller hinabführte, der mit seinem dort angesammelten Weinarsenal aussah wie gemalt.
    Sie stiegen die Stufen hinunter. Es roch feucht, an den dunkelgrauen Bruchsteinwänden gab es weiße Kränze von der Feuchtigkeit.
    »Sie sehen richtig feierlich aus, Herr Faßbender. Schwarz. Ein Festakt für Sie?«
    »Eine Beerdigung. Seit heute Morgen hatte ich noch keine Zeit, mich umzuziehen. Dieses Hotel ist meine Goldgrube, aber lassen Sie sich versichern: Manchmal bin ich überzeugt davon, dass es auch mein nervlicher Ruin sein wird. Aber für Sie nehme ich mir heute Abend einfach ein Stündchen.«
    Sie waren zwischen den Regalen angelangt, und Herbie stellte fest, dass die Flaschen hier unten in der Tat wesentlich älter aussahen als die Sammlung in dem vorherigen Raum.
    »Sie scheinen hier unentbehrlich zu sein«, plauderte Herbie. »Ist denn auf Ihr Personal kein Verlass?«
    »Personal ist ein notwendiges Übel. Immer nur Forderungen und Wünsche. Verlass gehört nicht gerade in mein Vokabular, wenn ich über diese Leute rede.« Er holte eine Flasche hervor und blies andächtig einen Hauch von Staub von ihrem Rücken. »Ein Vino di Messa. Papst Pius der XII. Vielleicht nicht gerade einer der besten Weine, aber eine echte Rarität.« Herbie war damit beschäftigt zu überlegen, wie oft seither weißer Rauch im Vatikan aufgestiegen war, um herauszufinden, wie alt dieser Wein sein mochte. Er kam zu keinem Ergebnis.
    Faßbender strahlte ihn an. »Ungefähr viertausend Altweine und im vorigen Raum noch mal etwa fünftausend Flaschen. Die meisten davon neu verkorkt und mit einer Pipette voll Schwefellösung wieder ein bisschen aufgemöbelt. Frischzellen sozusagen.« Er kicherte und griff nach einer anderen Flasche.
    Ich sage es nur ungern, da du dir scheinbar in deiner Rolle als Weinkenner so gut gefällst, aber unser Herr Hoteldirektor stiehlt uns wertvolle Zeit. Du willst zwei Kriminalfälle in Rekordzeit auflösen und bummelst hier zwischen alten Flaschen herum. Den Hoteldirektor inbegriffen .
    »1920! Port, Reserva Novidado ... nicht mehr genau zu entziffern. Das Etikett ist nicht mehr das neueste.«
    »Hauptsache, der Inhalt stimmt«, schwafelte Herbie ohne Sinn und Verstand. Julius hatte recht. Sie sollten sich längst wieder an die Fersen dieser Person aus der Dienstbotenetage geheftet haben.
    »Ein wahres Wort, Lohse. Wirklich, wirklich wahr. Es gibt schöne Etiketten, aber was nutzt heutzutage zum Beispiel ein Etikett, gestaltet von irgendeinem dieser spinnerten Künstler, wenn in der Flasche irgendeine Plörre gluckert. Genau meine Meinung, Lohse!«
    Das nächste Etikett war nicht minder verwittert. Herbie entzifferte etwas wie Madeira und die Jahreszahl 1900, machte anerkennend »Hm« und versetzte Faßbender erneut in Verzückung. »Ganz genau, Lohse, ganz genau! Was soll man dazu schon viele Worte verlieren!« Er legte die Flasche weg und fasste Herbie fest an beiden Armen. »Ich spüre eine gewisse Seelenverwandtschaft. Es gibt nicht viele Leute, denen ich meine Sammlung zeige. Und selten spüre ich bei denen, die dann tatsächlich einmal in den Genuss kommen, solch einen diskreten Enthusiasmus wie bei Ihnen! Die meisten labern irgendwelches halbseidene Kennergeschwätz, das mich beeindrucken soll, und merken nicht, wie lächerlich sie sich machen. Ich bin mir sicher, wenn ich diese Typen testen würde, sie könnten unter Umständen eine drittklassige Ahrbrühe nicht von einem 47er Château Lafite unterscheiden.«
    Herbie befreite sich sanft aus der Umklammerung und bummelte weiter die Reihe entlang. Faßbender entkorkte mit lautem Ploppgeräusch eine Flasche, murmelte etwas von »59« und »Pommard« und reichte Herbie zwei Gläser aus einem kleinen Schränkchen. Dann prosteten sie sich zu, und Herbie fand den Geschmack passabel. »Schmeckt wie ... neu verkorkt«, witzelte Herbie und erntete ein Kichern Faßbenders.
    »Wer wischt hier Staub?«, fragte er dann beiläufig, und Julius jaulte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Faßbender hingegen begann auf der Stelle, kollernd zu lachen.
    »Sie haben da so ein Dienstmädchen. Die sollten Sie unter Tage arbeiten lassen. Für die wäre das genau das Richtige.«
    »Fritz?«
    »Nein, ein Mädchen ... eine junge Frau, jedenfalls tippe ich darauf.«
    »Ja natürlich, Fritz!« Faßbender lachte wieder und

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