Rabenschwarz
und die Flammen hatten bereits den Schrank mit den Gewehren erreicht.
Vor Herbies Augen verschwamm alles. Er pendelte kraftlos mit dem Kopf hin und her. Er erkannte schemenhaft Julius, der besorgt auf ihn hinabblickte. Er sah das Regal, das an einer Seite bereits bedenklich in sich zusammengesackt war, den Marder, auf dessen Fell kleine Flammen tanzten, und dann sah er die Türklinke, die sich auf einmal bewegte, ohne dass er sie angefasst hätte. Sie bewegte sich nach unten. Das Geräusch des Schlüssels im Schloss erahnte er nur, und in dem Moment, in dem die Türe aufgestoßen und er unsanft zur Seite gedrückt wurde, schwanden seine Sinne, und der Rauch verdichtete sich zu einer fetten, schwarzen Masse, die ihn einhüllte, durch sein Gehirn flutete, über und unter und in ihm war.
Siebentes Kapitel
(In bunt, aber mit verwaschenen Farben und weichen Konturen. Verwackelt und mit dem Surren einer frühen Super8-Kamera im Hintergrund.)
Die erste Ohrfeige saß. Der rothaarige Josef hatte entsprechend weit ausgeholt. Dann blickte er Herbertchen Feldmann drohend an und knurrte aus dem Mundwinkel: »Pack aus! Jetz sach schon, wat du hier rumzuschnüffeln has!«
Aber was sollte der kleine Herbert schon sagen? Was gab es da großartig auszupacken? Sollte er wirklich erzählen, dass seine Schildkröte Amalie ausgebüxt war und sich unter dem Gartenzaun hindurch auf das verwilderte Nachbargrundstück, in die unmittelbare Nähe des Geheimverstecks der Bande von Altenraths Jüppchen, gewagt hatte? Sollte er sich dem Spott des etwa zwölfjährigen Straßenschrecks mit den feuerroten Haaren ausliefern, sich als Schildkrötenjäger outen? Ihm schoss durch den Kopf, was diese Bande rotznäsiger Realschulbengel womöglich mit seiner geliebten Amalie angestellt haben könnte. Roch er da nicht irgendwo ein Lagerfeuer?
Jüppchen holte erneut aus und pfefferte dem etwa vier Jahre Jüngeren erneut eine, während Friedhelm Brandt und Lothar »Lolli« Bongartz seine Arme festhielten. Und noch eine Ohrfeige ... und noch eine ...
(Der Blick schärft sich, und selbst die Nacht bekommt wieder farbige Schattierungen.)
Herbie tauchte langsam auf. Es war in der Tat so, als würde er in Zeitlupe an die Oberfläche eines tiefen, pechschwarzen Sees hinaufgetragen. Zwei Gesichter tanzten vor seinem getrübten Blick umeinander, ineinander, gewannen an Schärfe, und schließlich erkannte er sogar wieder die Sorgenfalten auf ihren Stirnen. Julius kannte er bereits seit geraumer Zeit. Sein Anblick erschreckte ihn wenig. Das andere Gesicht jagte ihm jedoch im ersten Augenblick einen gehörigen Schock in die Glieder. Aus nächster Nähe betrachtet war ihre Nase noch ein bisschen krummer und ihr Mund noch ein bisschen breiter, als er das bisher wahrgenommen hatte.
»Fritz«, murmelte er verblüfft und richtete sich auf.
»Sie kennen meinen Namen?« Der Gesichtsausdruck wechselte von ernsthafter Besorgnis zu absoluter Verwirrung. »Ich meine ... Fritz, so nennen mich doch nur ...« Sie stammelte verwirrt herum.
Der rot-gelbe Lichtschein, der im Geäst der Schlehenhecken umhertanzte, veranlasste ihn, den Kopf zu wenden und hinter sich zu blicken. Raben-Päuls Hütte war nur noch ein Haufen flackernden Schutts.
»Donnerwetter!«, murmelte Herbie. »Ganze Arbeit. Wenn ich da nicht herausgekommen wäre ...«
Schön, dass du wieder unter uns weilst. Ich dachte bereits, ich müsste mich nach einer neuen Anstellung umsehen . Julius ließ das betont gleichgültig klingen. Hoffentlich hat dein Hirn nicht noch mehr Schaden genommen. Die Grenze des Vertretbaren war ohnehin beinahe erreicht .
»Ich habe Sie klopfen hören und sah, dass jemand versuchte, von innen die Türe zu öffnen. Gott sei Dank hatte ich den Schlüssel. Wie sind Sie überhaupt hineingekommen, wenn abgeschlossen war?« Fritz hatte sich aus der Hocke erhoben und starrte nun auch in die Flammen.
Vom Dorf her erklang die Sirene.
»Ich bin durch die hintere Türe hinein. Die war nicht verschlossen.«
»Oh verdammt, dann habe ich schon wieder vergessen, den Riegel vorzuschieben! Ich bin aber auch ein Trampel! Na ja, ist ja auch egal jetzt. Kommen Sie, wir machen uns aus dem Staub, bevor die Feuerwehr hier anrückt. Sonst kriegen Sie noch Schwierigkeiten.« Sie machte auf den Absätzen kehrt und stiefelte los in Richtung Hotel.
Herbie und Julius blickten sich an und signalisierten sich, dass es in der Tat ratsam war, den Tatort zu verlassen. »He!«, rief Herbie und versuchte, wie
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