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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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nahe an das Bett heran. Er hielt inne, und der Pastor lauschte.
    Herbie spannte alle Glieder an und wagte nicht zu atmen.
    Dann erhob sich der Pastor wieder, und Herbie hörte, wie er den Kassettenschacht des Recorders öffnete und auch die letzte Kassette hervorholte und in die Tüte warf.
    Auch der Herr Pastor scheint ein ausgesprochener Klassikfreund zu sein, wie mir scheint. Vielleicht ist hier ein blutiger Kassettensammlerkrieg ausgebrochen .
    Schließlich wurde die Taschenlampe wieder ausgeknipst, und begleitet vom Rascheln der Plastiktüte verließ der Pastor die Hütte auf demselben Wege, auf dem er sie betreten hatte.
    Herbie atmete laut hörbar aus. »Das müsste mir mal jemand erklären.« Er verharrte noch einen Moment unter dem Bett. Man konnte nie wissen. Vielleicht verspürte der Priester ja plötzlich Lust, sich auch noch nach einer eventuell vorhandenen Schallplattensammlung umzusehen.
    »Was will dieser Priester mit der Musik vom Raben-Päul? So was hat doch jeder Pfaffe, den ich kenne, ohnehin bei sich zu Hause!«
    Was kennst du denn schon für Priester? Vielleicht hatte er ja gehofft, auf eine Partykassette mit frivolen Liedern und Witzchen zu stoßen .
    »Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich hier eine ganz seltsame Geschichte abspielt. Und ich bin mir fast sicher, dass Rosi und dieser Raben-Päul in irgendeiner Art und Weise darin verstrickt waren.«
    Etwa zehn Minuten waren vergangen. Weder die Spinne noch der Pastor waren zurückgekehrt. Die Gefahr schien gebannt. Herbie fand, dass es an der Zeit war, sich aus diesem Drecksloch zu entfernen.
    Er krabbelte ächzend unter dem Bett hervor und machte ein paar unbeholfene Versuche, sich den Staub vom Rücken zu klopfen. Sein Blick fiel auf das Regal. Ein silbrig glänzender Kassettenrecorder reflektierte schwach das Mondlicht. Sein Kassettenschacht stand offen. Daneben lag ein leer geräumtes Köfferchen, das ganz offensichtlich als Behältnis für die Kassetten gedient hatte.
    Pastöre sind manchmal wirklich seltsam .
    »Stimmt.«
    In diesem Moment zersprang mit elementarem Knall die Scheibe des Fensters neben der Türe. Etwas Flackerndes flog mit Wucht in den Raum, an den beiden vorbei, gegen die rückwärtige Türe und zerbarst klirrend. Eine Flüssigkeit verspritzte, und augenblicklich leckte ein Meer von Flammen an der hinteren Wand empor. Fauchend klommen sie die Holzplanken hinauf und erfassten die fleckigen Gardinen an den Seiten der rückwärtigen Fenster. Das blassrote Muster zertanzte in Sekundenschnelle zu schwarzen Ascheflocken. Eine große Fotografie im schlichten Holzrahmen, die Herbie bisher übersehen hatte, erstrahlte für einen Moment im Schein der züngelnden Flammen. Ein kleiner, rundlicher alter Mann mit buschigen Augenbrauen und einer frechen, fast winzigen roten Nase lachte ein gelb gerändertes Lächeln und zeigte mit dem knorrigen Zeigefinger an der krausen Stirne einen Vogel. Den grünen Jägerhut hatte er weit in den Nacken geschoben. Der Raben-Päul!
    Er sieht aus, als lache er dich aus. ›Was schleichst du auch nachts in meinem Haus rum? Jetzt sieh zu, wie du hier heil rauskommst.‹
    Dann fraßen sich die Flammen auf den Holzrahmen zu, sprengten die Glasscheibe und leckten mit ihren gierigen Zungen über das Gesicht des Alten, bis es in Sekundenschnelle von der Wand bröckelte.
    Herbie warf sich herum und ratterte an der Vordertüre. Es blieb ihm nicht viel Zeit. Die Luft war im Nu kochend heiß geworden. Die Flammen arbeiteten bereits an dem Bett und hatten einen Plastikeimer in der Nähe des Herdes in Brand gesetzt, der entsetzliche, schwarze Rauchschwaden in die Höhe schickte.
    Er suchte die Wand um die Türe herum hektisch nach irgendeinem Schlüssel ab, er rüttelte an der Klinke, er ergriff den einzigen Stuhl und hieb ihn wieder und wieder krachend gegen die Türe. Aber die alte Türe hielt stand. Er holte erneut mit dem Stuhl aus, um sich im angsteinflößenden Zackengewirr des zerborstenen Fensters einen Durchlass zu verschaffen.
    Dann kam der Hustenreiz. Der Rauch drang in seine Kehle und schoss ihm brennend und beißend in die Luftröhre. Er riss die Augen weit auf und schnappte nach Luft. Das Einzige, was er einatmete, war dichter, zäher Qualm. Das Federbett ging in Flammen auf, und Herbie konnte kaum noch die eigene Hand erkennen, die mit schwindender Kraft gegen die Türe hämmerte, während er selber langsam zu Boden sank. In der Nähe der Kochplatte explodierte eine Flasche mit dumpfem Knall,

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