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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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Weiches, und er versuchte, jegliche Vorstellung zu verdrängen, worum es sich dabei handeln könnte.   Ich weiß es, ich weiß es! , feixte Julius und ließ keinen Zweifel daran, dass Herbie zu recht beunruhigt sein durfte.
    Der Lichtkegel der Taschenlampe tanzte für ein paar Augenblicke auf dem groben Dielenboden herum, und Herbie brach der Angstschweiß aus. Dann wanderte er höher. Die Schuhe gingen ein paarmal unentschlossen hin und her. Auch dieser Eindringling schien sich ausgiebig umsehen zu wollen. Er machte sich an dem Schrank zu schaffen, den Herbie vorhin ohne Erfolg zu öffnen versucht hatte. Der Unterschied bestand darin, dass der zweite Besucher irgendeinen Gegenstand zur Hilfe nahm, der das Holz splittern und das zierliche Schloss verbeult zu Boden klimpern ließ. Als die Türe aufschwang, konnte Herbie von seinem unpraktischen Beobachtungsposten aus, spärlich von der Taschenlampe beschienen, die Kolben dreier Gewehre und ein paar verschiedenfarbige Schachteln mit Munition erkennen. Da hatte also der Alte seine Schießprügel verschlossen.
    Von Ferne ertönte wieder ein unterdrücktes Bellen. Die Schuhe hielten in ihrem Schritt inne. Und dann machten sie ein paar rasche Schritte auf die gegenüberliegende Wand zu. Das Regal.
    Die Schuhe verharrten nunmehr auf einem Fleck, während irgendwo außerhalb von Herbies Blickfeld jemand damit beschäftigt war, den Inhalt des Regals zu durchwühlen. Herbie versuchte, seine Panik im Zaum zu halten, als er plötzlich im schwächer gewordenen Schein der Taschenlampe eine Spinne auf sich zukrabbeln sah. Mit raschen Bewegungen kam sie zielstrebig auf sein Gesicht zugetrippelt und schien festen Willens, eine Besteigung der Nase oder des Kinns zu unternehmen.
    Ich möchte nicht nörgeln, aber falls sich nun auch noch die Mäuse entschließen sollten, uns Gesellschaft zu leisten, wird es langsam eng hier unten .
    Herbie versuchte voller Verzweiflung, das Spinnentier mit einem geräuschlosen Pusten zur Umkehr zu veranlassen. Erst als es nur noch eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt war, hielt es einen Moment inne und verschwand kurz entschlossen in der Dunkelheit hinter Herbies Kopf. Das beunruhigte ihn zwar ebenfalls, aber immerhin war diese Situation weitaus besser, als diesem Untier von Angesicht zu Angesicht gegenüberzuliegen.
    Mit einem Mal zerriss der furiose Auftakt von Beethovens fünfter Symphonie die Stille in der Hütte.
    Allegro con brio , erläuterte Julius überflüssigerweise.
    Die Musik dröhnte durch den kleinen Raum, und der Verursacher des Lärms, der anscheinend unvorsichtigerweise einen Kassettenrecorder betätigt hatte, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, während die Geräusche von seinen vergeblichen Versuchen, das Gerät wieder abzuschalten, kündeten. Es wurde auf Tasten gehämmert, es wurde an Knöpfen geschaltet, und schließlich herrschte wieder Ruhe in Raben-Päuls Bude. Dann kam eine weitere musikalische Kostprobe. Die   Nacht auf dem kahlen Berge   von Mussorgski. Der Besitzer dieser musikalischen Sammlung hatte offenbar Sinn für das Dramatische gehabt. Herbie überlegte, dass er das diesem Onkel Paul nicht zugetraut hatte. Sein Umfeld hätte es zumindest nicht vermuten lassen. Erneut wurde die Kassette gewechselt. Das schien nun wiederum etwas von Schubert zu sein.
    Ein echter Klassikfreund, der alte Rabenkiller. Hat vermutlich immer eine kleine Melodie von Haydn vor sich hingepfiffen, wenn er die schwarzen Vögel vom Himmel blies .
    Dann klapperte es gewaltig, und etwa zehn Musikkassetten prasselten auf den Holzboden. Die Musik wurde abgeschaltet. Herbie stockte der Atem. Der Eindringling ging in die Hocke. Ein angestrengtes Ächzen war zu hören. Als er sich zu den Kassetten hinunterbückte, war er für einen Moment ganz zu sehen. Herbie betete zu Gott, dass sich der Mann nicht zu einem Blick unter das Bett hinreißen lassen möge, und dann staunte er nicht schlecht: Der Mann, den er sah, war in tiefes Schwarz gehüllt. Unter dem schwarzen Mantel war ein schwarzer Pullover sichtbar, der nach oben mit einem schmalen, weißen Kragen abschloß. Ein Collarkragen. Dieser ältere Herr, der zu so später Stunde in fremde Behausungen einstieg, war ein Priester!
    Der Pastor holte von irgendwoher eine zusammengefaltete Plastiktüte hervor, entfaltete sie mit einer Hand, während die andere die Taschenlampe hielt, und warf rasch die zu Boden gefallenen Kassetten hinein. Der Lichtkegel der Taschenlampe wanderte gefährlich

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