Rabenschwarz
Feuerchen und war auf Anhieb als tapferer Ritter erkennbar. Sein Brustpanzer war aus dem Rückendeckel eines Zeichenblocks gefertigt worden, und seine Hände steckten in schweren, silber glänzenden Handschuhen. Seinen Kopf zierte ein Fahrradhelm aus Styropor, der mit Stanniolpapier verziert und, zu Herbies grenzenloser Freude, mit einem dichten Federbusch aus gekräuseltem, braunem Kassettenband versehen war. Leo betrachtete seine Freunde und den Neuankömmling und fragte: »Will der mitspielen?« Herbie verneinte kategorisch und schickte besänftigend hinterher: »Ich hab leider jetzt keine Zeit. Vielleicht ein anderes Mal.« Dann trat er auf den Jungen zu, der ein paar kleine Äste durchbrach und ins Feuer warf. »Schöner Spielplatz. Hier liegen ganz schön viele Sachen rum, was, Leo?«
Leo beäugte ihn skeptisch und fragte: »Was willste von mir?«
Julius zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: Nun, was hast du erwartet? Kinder und Diplomatie. Zwei Welten .
»Kann ich vielleicht deinen Federbusch haben?«
»Nö.«
»Ich bräuchte ihn aber wirklich sehr dringend.«
»Ich auch. Ohne den ist der Helm doch total doof.«
»Und wenn ich dir was gebe?«
»Was denn?«
Herbie wägte kurz Kosten und Nutzen ab und machte ein Angebot: »Fünf Mark?«
»Nö.«
»Wie viel denn sonst?«
»Zehn vielleicht.«
Nimm das Angebot an!
Herbie wurde wütend. »Kommt ja überhaupt nicht infrage! Ich gebe dir jetzt fünf Mark, und du gibst mir das Band. Es geht aber auch anders. Dann hole ich mir den Federbusch, und du kriegst gar nichts!«
Nimm das Angebot an!
»Es geht aber auch noch anders«, meinte Ritter Leo ganz unbeeindruckt, rupfte das Bandgewirr vom Helm und hielt es über das Feuerchen.
»Ja, genau!«, johlten die beiden anderen begeistert. »Wirf es ins Feuer! Der ist doch doof.«
Ich sagte doch: Nimm das Angebot an!
»Schon gut, schon gut!«, rief Herbie hastig und kramte sein Portemonnaie hervor. Er holte einen Zwanzigmarkschein heraus und weitete entsetzt die Augen, als Leo sich dem Feuer näherte. »Ihr könnt nicht zufällig wechseln?« Stumm schüttelten die drei den Kopf, und er reichte Leo unwirsch den Schein. »Hier, nimm! Und jetzt her mit dem Band!«
* * *
Fritz und Köbes staunten nicht schlecht, als Herbie eine Weile nach seinem Weggehen plötzlich aus ganz anderer Richtung den Waldweg entlang auf sie zugehumpelt kam. Auch Herbie stellte amüsiert fest, dass die letzte Dreiviertelstunde an allen dreien nicht schmerzlos vorübergegangen war.
Hier muss ein Massaker stattgefunden haben, mutmaßte Julius. Die beiden sehen aus, als seien sie mit knapper Not im alten Rom aus dem Circus Maximus entkommen .
Tatsächlich zierten Kratz- und Bissspuren ihre Hände, Köbes’ Nase und Fritzens langen Hals.
Der Kofferraum des verbeulten Autos spuckte ununterbrochen aggressives Gekläffe aus.
»Da hast du dich ja fein aus der Affäre gezogen«, spöttelte Köbes, aber Herbie winkte ab. »Tut mir leid. Tut mir wirklich leid. Aber es hat sich vielleicht gelohnt.« Während des Fußwegs hatte er das Band akkurat um seine Hand geschlungen. Jetzt präsentierte er es den beiden. »Ich fahre, und du, Köbes, du wirst bitte in der Zwischenzeit versuchen, das hier in eine deiner unvermeidlichen Filmmusikkassetten hineinzubasteln.« Hastig stieg er ein und signalisierte so, dass keine Zeit zu verlieren war. Wenige Sekunden später heulte der Motor auf, sie setzten rückwärts aus dem Busch auf den Waldweg zurück und fuhren den Weg, den sie gekommen waren.
Erst als das Motorengeräusch und die begleitende Musik verklungen waren, traute sich Helmut Strecker aus seinem feuchten Versteck am Ufer, von dem aus er zwar nicht das Geringste hatte sehen, jedoch einiges, inklusive Hundelärm, hatte hören können, nachdem er das Wasser aus den Ohren hatte laufen lassen. Bibbernd schlug er sich dann in die Büsche und folgte einem kleinen Pfad, von dem er glaubte, dass er ihn zu seinem in der Nähe geparkten Fahrzeug führen würde. Ein Trugschluss, den der frierende Strecker erst erkannte, als er nach einer Viertelstunde Zittern und Zähneklappern schließlich auf eine spielende Gruppe Kinder stieß, die ihm zehn Mark für einen Platz am wärmenden Feuer und einen weiteren durchnässten Zehnmarkschein für eine alte, halb verrottete Decke abknöpften, die angeblich den Krönungsmantel von König Artus darstellte.
Derweil hatte der Kadett das Ortsschild Buchscheid hinter sich gelassen. An der Stoppstraße
Weitere Kostenlose Bücher