Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp

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nicht Reinhold Messner!« Dann entglitt ein dürrer Ast, an dem er sich festgehalten hatte, seiner Faust. Er stellte für den Bruchteil einer Sekunde fest, dass er nur noch dürres Herbstlaub in Händen hielt, und rutschte den Rest des Abhangs, der aus losem Geröll bestand, schreiend hinunter.
    Julius empfing ihn unten und schüttelte den Kopf. Und ich bin nicht der Yeti .
    Herbie erhob sich stöhnend und wusste vor Schmerzen gar nicht, was er sich zuerst reiben sollte.
    Willkommen auf der Erde .
    »Heee! Haste dir wehgetan?« Eine Kinderstimme kam von hinten. Als Herbie herumfuhr, entdeckte er zwei Kinder, die auf einem alten Autoreifen hockten und anscheinend seinen halsbrecherischen Abstieg vom Anfang bis zum gloriosen Ende mitverfolgt hatten.
    »Bist du’n Bergsteiger?«, fragte der Kleinere von beiden. Er hatte hellblondes Haar. Herbie schätzte die beiden auf etwa fünf Jahre.
    »Blödsinn!«, rief der andere, rundlichere, der einen dunkelblonden Stoppelschnitt hatte, und tippte sich an die Stirne, »’n Bergsteiger hätte sich doch bei so ’nem pipileichten Hang nicht auf die Fresse gelegt.«
    »Was macht ihr denn hier?«, fragte Herbie beschämt und ging auf sie zu, wobei er mit dem linken Bein leicht zu humpeln begann.
    Die beiden Knirpse sahen sich fragend an, grinsten dann und sagten unschuldig: »Spielen. Was denn sonst?« Sie waren der Witterung entsprechend verpackt, waren aber darüber hinaus mit allerlei Zierrat wie Federn und Stirnbändern und diversem kriegerischen Gerät ausgestattet, das sie als Apachen oder Sioux auswies. »Das ist unser Jagdgebiet!«, erläuterte der Dickere altklug und baute sich herausfordernd vor Herbie auf.
    »Wisst ihr«, begann dieser zögernd, »ich suche hier was.«
    »Was denn?«, wollte der Zierlichere wissen und trollte sich an die Seite des dicken Blondschopfs. »Triffst du hier ’ne Frau?«
    Der andere wollte es genauer wissen: »Wollt ihr knutschen?«
    Das Verhör spitzt sich zu. Du solltest mit der Sprache rausrücken, sonst gipfelt das Ganze in größeren Peinlichkeiten, und sie versuchen, deine sexuellen Abgründe zu erforschen .
    »Nun seid mal nicht so vorlaut!«, entschied sich Herbie für die autoritäre Variante. »Ich habe hier gestern was gesehen. So ein Band von einer Kassette. Das hing da oben im Baum. Ich hab’s von da oben aus gesehen.« Er deutete auf den Bergrücken, von dem er sich eben mehr oder weniger glanzvoll hinabbewegt hatte. Als er hinaufblickte, erschrak er im Nachhinein über die Höhe des Hanges.
    »Ein Kassettenband?« Der Hellblonde sah Herbie skeptisch an. »Und deshalb bist du da runtergeklettert? Echt?« Sie musterten Herbie beide, als hätten sie es mit einem kompletten Vollidioten zu tun.
    Ihr habt ja so recht, Kinderchen. Er ist ein treuer Gefährte, aber im Grunde genommen leider eine verteufelt hohle Nuss .
    »Und mit wem hast du eben gesprochen, als du da gehangen hast?« Der Dickere deutete auf den Abhang.
    Herbie überging die Frage geflissentlich und beschloss, die beiden zu ignorieren. Er sah sich um und begann, Sträucher und versteckte Winkel nach dem verschwundenen Band abzusuchen.
    »Hast du denn nicht genug Geld, um dir eine richtige neue Kassette zu kaufen?«, fragte der Kleine besorgt, und der Dicke bot sogar an: »Soll ich dir was leihen?«
    Herbie teilte die Sträucher mit den Händen, fuhr mit den Schuhen durch dürres Gras und schritt die Flecken ab, an denen irgendwelche Umweltfrevler ihren Müll entsorgt hatten.
    »Wir haben hier mal ’n alten Wecker gefunden. Der war noch okay. Willste den?« Die beiden waren wirklich hilfsbereit. »Und ’ne olle Pfeife. Das ist jetzt unsere Friedenspfeife. Die können wir dir mal leihen.«
    »Müsst ihr nicht nach Hause? Hausaufgaben machen?« Herbie war überrascht, wie schnell seine Geduld am Ende und wie ungeübt er im Umgang mit Kindern war.
    »Wir kommen doch erst nächstes Jahr in die Schule!«, kam es wie im Chor.
    Plötzlich schnupperte Herbie. Es roch verbrannt. Die beiden grinsten ihn wissend an. »Das ist der Leo, der hat ein Feuerchen gemacht.« Sie erhoben sich und stapften davon. Beiläufig erwähnten sie: »Und dein doofes Kassettenband liegt hier nicht. Das hat der Leo aus dem Baum geholt. Der Leo ist klasse. Der ist nämlich Sir Lancelot!«
    Hastig setzte Herbie ihnen nach, und als er sie eingeholt hatte, sah er auch schon ihren Spielkameraden, den er zwei, drei Jährchen älter schätzte. Er pustete gerade angestrengt in ein munteres kleines