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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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näher kommen sah, verkniff er sich jedes Husten, das sich brennend seinen Hals hinaufkämpfte, jedes Japsen, das ihm die Luft beschert hätte, die seine Lungen jetzt so dringend brauchten, und watete statt dessen rasch vom Ufer weg und im Sichtschutz einer kleinen, bewachsenen Landzunge auf das andere Ufer zu. Dort krabbelte er durchnässt und zitternd ans Ufer, verlor den Halt im unzugänglichen Gewucher des Buschwerks und glitt erneut in die Fluten.
    Julius folgte Herbie auf dem Fuß, überholte den immer langsamer werdenden Kumpan bei seinem Aufstieg aus dem Tal sogar auf halber Höhe im Hang.   Feigheit vor dem Feind. Nun bin ich aber tatsächlich mal gespannt, was dich bewogen hat, plötzlich, wie von der Tarantel gestochen, die altbekannte Hasenfußtaktik anzuwenden .
    »Ich musste an die Kassette denken. Zuerst nur an Köbes’ nervtötende Dudelei.« Herbie keuchte atemlos. »Dann an die Kassetten, auf die der Pfaffe so scharf war. Und dann fiel mir etwas ein, das ich gestern registriert habe, aber das mir, ohne den richtigen Zusammenhang betrachtet, überhaupt nichts gesagt hat.«
    Ich bin gespannt. Kommt jetzt der Name des Mörders?
    »Quatsch!« Als sie das obere Ende des Dickichts erreicht hatten und die letzten Stufen emporgestiegen waren, tauchte vor ihnen das verkohlte Anwesen des alten Wildhüters auf. Ohne sich lange darum zu kümmern, stiefelte Herbie unbeirrt weiter und steuerte auf den Weg zu. Nach weiteren zehn Minuten, in denen Herbie hastig ausschritt und kein Wort sprach, zeichnete sich weiter vorne das Steinbruchschild gegen den Himmel ab.
    »Ich hätte natürlich einen Weg durch das Tal nehmen können. Schließlich muss ich jetzt gleich wieder hinunter, aber ...«
    Aber dein sportlicher Ehrgeiz ist erwacht?
    »Das, was ich zu finden hoffe, sehe ich wahrscheinlich besser von einem erhöhten Standpunkt aus.« In freudiger Erwartung galoppierte er auf den Abgrund zu, hielt etwa an der gleichen Stelle inne, an der er am Vortag mit Richard gestanden hatte, und starrte angestrengt in die Tiefe. Alles war genauso wie gestern. Der Steinbruch war verwaist, Müll verrottete in der ein oder anderen Ecke, die Stelle, an der man Rosis leblosen Körper gefunden hatte, war immer noch kahl und unscheinbar. Noch immer deutete nichts darauf hin, dass sich hier erst kürzlich ein grausames Schauspiel zugetragen hatte. Herbie suchte und suchte, aber so sehr er sich auch anstrengte, das, was er zu finden hoffte, war nirgendwo zu entdecken.
    Ich könnte einen Folterknecht engagieren, der es aus dir herauspresst, aber du könntest es mir auch getrost von selber sagen: Wonach hältst du Ausschau? Vier Augen sehen mehr als zwei .
    »Die Kassette«, murmelte Herbie. »Der Pastor ist hinter einer geheimnisvollen Kassette her, so viel steht fest. Mir sind schon oft irgendwo am Straßenrand oder anderswo herausgerupfte Kassettenbänder aufgefallen, die zwischen Gräsern und Büschen im Wind flatterten. Ich habe mich immer wieder gefragt, was wohl auf all diesen Bändern drauf ist, und habe mir immer mal vorgenommen, eines einzusammeln, zu Hause in ein Gehäuse hineinzufriemeln und abzuhören.« Er stampfte wütend mit den Füßen auf. »Gestern hing hier so ein Stück Band in einem der Bäume da unten.« Er wies, mit dem Finger rudernd, in die Tiefe. »Jetzt ist es weg.«
    Eine fixe Idee, nichts weiter! Sieh dich nur um! Hier liegt ausreichend Müll herum. Fehlt nur noch, dass du in der leeren Lenorflasche da unten irgendwelche diabolischen Gifte vermutest oder die Überreste des alten Damenfahrrads da hinten für ein todbringendes Mordinstrument eines durchgeknallten Erfinders hältst! He, was machst du da?
    Herbie hatte begonnen, die Böschung nach einer Möglichkeit abzusuchen, einigermaßen sicher in die Tiefe zu kommen. Er fand schließlich eine Stelle, an der das Gefälle weniger steil war als im übrigen Bereich des Steinbruchs. Unbeirrt begann Herbie den Abstieg, wobei er einen Weg wählte, der zwar den ein oder anderen riskanten Abhang enthielt, der aber mittlerweile so von Gesträuch aller Art überwuchert war, dass er sich daran festklammem konnte. Herbie kletterte konzentriert und stumm, und Julius’ Zetern konnte ihn nicht aufhalten. »Keine Sorge!«, gab er nur einmal ächzend von sich, kurz bevor er die Talsohle erreicht hatte. »Du hast vielleicht Angst, deinen Gefährten und deine Daseinsberechtigung zu verlieren, wenn ich mir jetzt hier das Genick breche, aber das ist nicht der Himalaja, und ich bin

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