Rabenschwarz
ab.
Geklapper war zu hören. Knarrende Geräusche, wie sie entstehen, wenn jemand die Aufnahmetasten eines alten Kassettenrecorders betätigt. Und dann kam die Stimme. Es war die Stimme eines alten Mannes. Rau, tief und mit einem knirschenden Unterton. Er sprach mit deutlich hörbarem Eifeler Tonfall, und auch seine Worte hatten unter der Zerstörung der Originalkassette stark gelitten. Sie mussten aufpassen, um alles genau zu verstehen.
»Ich will dat jetz aufnehmen, damit dat bekannt wird, wenn ich mal net mehr bin.«
»Päul«, hauchte Fritz. »Die Stimme aus dem Grab.« Herbie bedeutete ihr mit einem Wink, sie möge schweigen.
»Wat mir damals jetan haben, dat kann niemals wieder jutjemacht werden. Wenn hier dat einer hört, bin isch bestimp schon längst in der Hölle. Da bin isch mir sischer. Et is lange, lange her. Mir waren zu zweit. Isch kann misch noch jenau dadran erinnern, weil mir die Jeschichte seit damals ...«
Ende.
»Verflucht!« Herbie hieb mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett. Irgendwo löste sich ein Kunststoffteil und rasselte zu Boden. Das Gebläse sprang selbsttätig an.
Herbie schaltete den Motor aus.
Ich weiß nicht, warum du dich ereiferst. Du hast viele Sachen erfahren. Erstens: Die Kassette ist tatsächlich die von dem alten Rabentöter. Zweitens: Er hat sich auf ihr Luft gemacht und gebeichtet. Eine alte Geschichte. Drittens: Sie waren zu zweit. Viertens: Die Tatsache, dass dieser Fetzen Band am Ort von Rosis Tod flatterte, lässt in der Tat den Schluss zu, dass sie möglicherweise der Kassette und ihres Wissens wegen getötet wurde .
»Wenn du es so siehst ...« Köbes und Fritz starrten ihn überrascht an. Köbes verstand. »Julius?« Hastig winkte Herbie ab und lenkte auf ein anderes Thema.
»Jetzt kommt erst mal der Hund in die Garage. Okay?« Köbes machte ein säuerliches Gesicht. »Na gut. Setz das Auto am besten langsam rückwärts an das Tor heran.«
Auto. Ha!
Elftes Kapitel
Strecker hatte telefonisch Bericht erstattet. Er glaubte, das Bellen ihres geliebten Schoßhunds gehört zu haben. Er erzählte etwas von Pastoren, langhaarigen Verbrechertypen, hässlichen Gangsterbräuten und von einem Mordversuch durch Ertränken. Und fortwährend hatte er geniest und geschnieft. Sie war sich mittlerweile auch bei Strecker nicht mehr ganz sicher, ob es richtig gewesen war, ihn in diese Sache hineinzuziehen.
Eine Träne tropfte auf die Fotografie eines kleinen Pudelwelpen, der auf den zitronengelben Polstern einer Hollywoodschaukel lag. Rasch glitt Henriette Hellbrechts Finger darüber und wischte die Flüssigkeit weg. Gleich darunter klebte in dem großen ledergebundenen Fotoalbum, das sie auf den Knien balancierte, ein weiteres Foto von Bärbelchen. Da war sie schon etwas älter, trug eine große orangefarbene Schleife im Schopf, wie es damals Mode war. Frisch vom Coiffeur stand darunter. Am rechten Bildrand war gerade noch ein Arm zu erkennen, auf dem eine helfende Hand dabei war, eine klaffende Bisswunde mit einem popeligen Pflaster zuzukleben. Der blutende Arm gehörte ihrem beschränkten Neffen. Wem sonst?
Das Telefon klingelte. Nach dem Hörer greifen und »Hallo« sagen war eins.
Da war die Stimme zum Arm.
»Es gibt Fortschritte, Tantchen. Gut, dass wir jetzt ein Auto haben! Ich will ja noch nicht zu viel verraten, weil ich erst alles hieb- und stichfest haben will, aber wir müssen viel rumreisen. Euskirchen, Bonn, Luxemburg. Ein wahrer Sumpf tut sich da auf. Man ahnt ja gar nicht, wer alles in diese Geschichte verstrickt ist. Es macht fast den Eindruck, als sei das eine regelrechte Hunde-Stasi ...« Sie fiel ihm ins Wort. »Wer ist verstrickt? Kann ich jetzt vielleicht endlich einmal etwas Genaues erfahren?«
»Wie gesagt: Noch habe ich keine Gehaltsliste dieses Pharmakonzerns und dieser Fleischereikette, aber ich warte stündlich auf ein Fax aus Italien.«
»Italien?«
»Palermo. Muss ich noch mehr sagen? Ein wichtiger Informant ist leider ausgefallen. Der Chefarzt des Bonner Krankenhauses schiebt eine Virusinfektion vor, aber du weißt ja, was die in ihren Labors ...«
»Herbert!« Zum ersten Mal erhielt ihre Stimme einen weinerlichen, fast flehenden Tonfall. »Ich bitte dich nicht oft um etwas. Normalerweise bitte ich dich nicht, sondern schreibe dir vor oder befehle ganz einfach. Darum hör jetzt genau zu: Das alles klingt sehr nach deinen üblichen Fantasieprodukten. Du hast dein Hotelzimmer bekommen, du hast dein Auto ... tobe dich aus, aber
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