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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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hatte ein dicker alter Mann mit hängender Unterlippe gestanden, der eine zerschlissene Aktentasche unter dem Arm trug. »Das ist Feuser-Hännes. Der tickt nicht ganz sauber«, erklärte Fritz und sagte: »Fahr weiter!« Aber noch während Herbie mit dem altersschwachen Schaltknüppel herumrührte, war der Alte an die Scheibe getreten, zeigte ungefragt seinen speckigen Schwerbehindertenausweis und raunzte durch die geschlossene Scheibe: »Ich muss nach Euskirchen!«
    »Nix da!«, sagte Herbie energisch, und mit einem Satz schossen sie nach vorne.
    »Der pendelt jeden Tag zwischen Buchscheid und Euskirchen«, fuhr Fritz fort. »Der stinkt vielleicht!«
    Schade. Hätte doch vorzüglich zu den beiden anderen Schönheiten gepasst , sagte Julius heiter.
    Minuten später knatterte der Kadett über Hümmel und Falkenberg nach Tondorf.
    »Wohin geht die Reise eigentlich?«, wollte Köbes wissen, der auf dem Beifahrersitz gerade seine ganze Konzentration aufbrachte, um unter Zuhilfenahme seines Schweizer Messers die Kassette wieder zu verschrauben, aus der er kurz zuvor unter heftigem Protest das Band mit dem Soundtrack zu dem Film   Swashbuckler   von John Addison herausgeriffelt hatte, um es durch das zerknitterte Stück Band zu ersetzen, das Herbie angeschleppt hatte.
    »Wir fahren dich heim nach Zingsheim«, erklärte Herbie. »Nach Hause. Dich und ... den Hund.«
    »Den Hund?« Köbes schreckte auf. »Was soll das bedeuten?«
    »Nur bis morgen Abend, Köbes. Bitte!«
    Auch Fritz unterstrich die Dringlichkeit des Ortswechsels. »In der Hütte war es zu riskant, den Pudel weiterhin unterzubringen.«
    »Das ist ein Pudel?«, fragte Köbes ehrlich erstaunt. »Sieht nach allem Möglichen aus. So zottelig. Wieso ausgerechnet bei mir?«
    »Du bist der Einzige, der uns helfen kann. Außerdem wohnst du abgeschieden, hast eine große Garage, und bei dem Lautstärkepegel deiner Musik bleibt das Gebell von Bärbelchen bestimmt unbeachtet.«
    Er könnte dem Tierchen ja vielleicht zur Erbauung von morgens bis abends die Musiken zu   101 Dalmatiner, Lassie   oder   Susi und Strolch   vorspielen .
    »Also gut«, lenkte Köbes ein. »Wenn’s euch hilft. Mal sehen, was Ulrike dazu sagt.«
    »Ulrike?«, staunte Herbie. »Sie ist wieder da?« Er kannte das. Bei seinem Freund Köbes und seiner Frau Ulrike gab es mit feierlicher Regelmäßigkeit entweder eine Trennung zu betrauern oder kurz darauf eine entsprechende Versöhnung zu feiern. Momentan war also die Flagge offensichtlich gehisst, die Queen wieder im Lande. Sie erreichten Engelgau, und Köbes rappelte stolz mit der wiederhergestellten Kassette. »Fertig!«
    Ungeduldig schob Herbie sie in den Kassettenschacht, und im selben Moment erschütterte die   Symphonie Fantastique   von Berlioz das Fahrzeug. Erschrocken hörte Bärbelchen im Kofferraum für einen Augenblick auf zu bellen.
    »Geil«, fand Köbes. »War auch mal in ’nem Film mit Julia Roberts.« Die Aufnahme war total lädiert, da das Band in den letzten Tagen nicht eben so pflegliche Behandlung erfahren hatte, wie sie Tonträgern dieser Art normalerweise zuteil werden sollte. Die Musik klang holprig, knackste und hatte fortwährend Aussetzer.
    Herbie sah enttäuscht aus. »Ist aber nicht unbedingt das, was ich suche.«
    »Was suchst du denn?«, wollte Fritz wissen.
    Ach, gutes Kind, wenn er das doch selber nur wüsste!   Julius, der direkt neben Fritz auf der Rückbank hockte, machte eine wegwerfende Handbewegung.
    Herbie blieb nichts übrig, als Julius’ Worte zu wiederholen, da sie den Tatsachen entsprachen: »Wenn ich das wüsste!«
    Er spulte vor und startete an einer anderen Stelle einen erneuten Versuch. »Die Symphonie steuert auf ihr Ende zu«, murmelte er und spulte erneut.
    Und du solltest dich vorsehen, sonst steuerst du noch auf dein Ende zu! Beide Hände ans Steuer und Viertel-vor-drei-Haltung bitte!
    Als die letzten klassischen Töne verklungen waren, herrschte Stille. Die Aufnahme war zu Ende. Herbie spulte noch einmal kurz, dann endete auch die Kassette. Köbes half ihm, warf die Kassette aus und drehte sie um. Aber auch auf der anderen Seite erschollen die ersten Takte einer klassischen Melodie.
    »Grieg«, murmelte Herbie enttäuscht.
    Und dann, sie hatten Zingsheim erreicht und bogen gerade auf den von hohen Fichten umsäumten, riesigen Vorplatz von Köbes’ Behausung ein, auf dem Unmengen von Autos und solche, die es einmal gewesen waren, herumstanden, brach die Musik plötzlich jäh

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