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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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Holzbrett, ein Küchenmesser, schnitt das Brot, den Käse, die Wurst, die Tomate, begann zu essen, gierig, als hätte sie drei Tage nichts gehabt.
    Ich habe ihr zugeschaut. Ich wollte gehen, wollte weg, weg von ihr, weg aus diesem Haus, weg aus dieser Stadt. Aber ich war wie gelähmt und ich wusste, wenn ich mich nur einen Millimeter rührte, würde ich zu zittern beginnen und nicht mehr damit aufhören.
    »Warum«, hab ich endlich gefragt. »Warum?«
    Sie hörte auf zu essen, starrte mich an, erschrocken plötzlich.
    »Warum«, wiederholte sie, »warum?«
    Sie dachte nach, zuckte die Schultern.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie, »ich weiß es nicht mehr. Vielleicht, weil … du und er … weil wir beide … ich weiß es doch nicht. Es hat sich ergeben. Es hat sich einfach ergeben, die Nacht, der Sturm, dass er Dinge gesagt hat, die …«
    Sie schluchzte auf. »Ich habe dich vermisst, Hanna, so sehr vermisst, immer«, streckte die Hand nach mir aus. »Du weißt es nicht, Hanna, aber du hast mir das Herz gebrochen.«
    Es war genug. Zu viel. Das Zittern begann. Ich stand auf, wollte zur Tür, hinaus, nie wiederkommen. Aber sie war noch immer nicht fertig. Ihre Stimme traf mich im Rücken.
    »Und plötzlich bist du wieder da gewesen. Und warst schwanger.«
    Ich blieb stehen. Mit einem Schlag. Schwanger. Ich. Damals. Ich drehte mich um, schaute sie an, wusste augenblicklich …
    »Ja«, sagte ich, »ja«, und staunte, begann haltlos zu staunen, horchte in mich hinein und wusste …
    … wusste endlich …
    … ja … es stimmte … ich wusste es mit einem Schlag …
    Dass ich schwanger gewesen war. Dass ich ein Kind geboren hatte. Dass dies es war, was mir gefehlt hat. Mein halbes Leben lang. Mit einem Schlag habe ich gewusst, wohin meine Sehnsucht all die Jahre wollte.
    Ich habe mich umgedreht. Sie angesehen. Und war so froh, dass es dunkel war, Nacht, ich hätte kein Tageslicht ertragen, nicht die Sonne in ihrem Gesicht.
    »Lilli«, sagte ich. »Mein Gott. Lilli.«
    »Ja«, sagte sie, »Lilli. Meine Lilli. Meine große, wunderbare Tochter. Sie hat mich gerettet. Für sie konnte ich im Leben bleiben.« Still, kurz war sie still. Dann: »Ich musste sie dir nehmen.«
    Musste. Sie. Mir. Nehmen. Ja. Sie musste. Und ich?
    Ich weiß nicht mehr, was ich gefühlt habe, ich weiß nicht, was gedacht. Nichts vielleicht. Eine Leere. Die Leere der vielen Jahre. Ich hätte eine Tochter gehabt. Vielleicht wäre es schwer gewesen, aber ich hätte ein Kind gehabt. Jemanden, der ganz zu mir gehört.
    Bilder stürmten auf mich ein. Dunkel. Ängste. Schweigen. Nebeliges Untergehen.
    Eine Tochter. Und hatte sie vergessen. Alles um sie herum. Als ob es sie nicht für mich gegeben hätte, als wäre sie etwas Fremdes in mir gewesen, ein Nebelschwaden, ein Tanz im Wind.
    Wie war das möglich gewesen? Wie kann man sein Kind vergessen? Wie? Ich habe mich geschämt in der Dämmerung an diesem Tisch.
    Und sie? Gertrud? Begann zu zerfallen. Wie ein Zelt, das langsam in sich zusammenklappt. Wie eine Sandburg, die auseinanderrieselt, weil der Sand getrocknet ist.
    Es roch nach Zwetschgenmarmelade. Ich hatte diesen Geruch in der Nase. Gertrud stand auf, stieß an das Holzbrett, an das Messer, es fiel zu Boden, klirrte vor meine Füße. Ich habe mich gebückt. Automatisch. Ich habe es aufgehoben. Plötzlich hatte ich es in der Hand.
    69 Diese Fünfziger und Mittfünfziger und Endfünfziger, dachte Kristin, sind doch alle abgewrackte Weicheier. Das einzig noch Kesse an ihnen ist ihr Geldbeutel.
    Sie musste grinsen. Es machte Spaß, dieses … Abenteuer jetzt, und sie hatte nicht im Mindesten geahnt, dass derart viel kriminelle Energie in ihr steckte.
    Während sie in der Handtasche nach den Zigaretten kramte, schaute sie sich um. Nobel, das Lokal, das musste man sagen, wirklich, roch nach Geld.
    Anerkennend zog sie die Mundwinkel nach unten, nobel, wirklich, nobel ging die Welt zugrunde. Sie stand auf und trat vor die Tür des Lokals, neben der ein wenig verborgen ein Ascher stand. Wie so oft fand sie in ihrer großen Tasche kein Feuerzeug. Sie winkte den Kellner aus dem Lokal, bat ihn um Feuer, er holte ein Zündholzbriefchen, entzündete das erste Hölzchen, hielt die Flamme an ihre Zigarette und gab ihr das Briefchen. »Voilà, Madame«, sagte er und lächelte. Sie lächelte freundlich zurück.
    Eine Zigarette, noch eine, zwischendurch ein Kaffee im Lokal. Ihre Ungeduld wuchs. Wo blieb er nur? Sie hatten nicht alle Zeit der

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