Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
wollte es für Hanna, als Absicherung quasi«, sagte Brendler und setzte sich. »Er erzählte mir, dass er sehr krank sei, nicht mehr lange zu leben habe, dass er Schulden habe mit der Galerie, dass er diese Schulden decken könne mit meinem Geld, und Hanna hätte zumindest deshalb keine Sorgen, wenn er …«
»Erpressung also?« Franza überlegte. »Mit Lilli? Er hat Sie mit Lilli erpresst?«
Brendler schüttelte den Kopf. »Nein, keine Erpressung. Ich habe ihm das Geld gern gegeben. Es war doch für Hanna.« Er schaute seine Frau an.
»Aber Sie haben schon einmal viel mehr bezahlt?«
Schweigen.
»Dass alles so enden muss«, sagte Dorothee tonlos, »dass alles so enden muss!«
Sie wandte sich zu ihrem Mann: »Erzähl es ihr. Erzähl du es. Ich mag nicht mehr.«
Er nickte, stützte den Kopf in die Hände. »Jonas«, sagte er, »Jonas ist Hannas Ehemann geworden und ich konnte es nicht verhindern. Ich hätte es getan, wenn ich es gekonnt hätte. Aber es lag nicht mehr in meiner Macht.«
»Warum wollten Sie es verhindern?«
»Weil es nicht ging. Weil es einfach … nicht ging. Weil es … zu gefährlich war. Für uns alle.«
»Das müssen Sie mir jetzt aber genauer erklären«, sagte Franza und beugte sich vor. »Was meinen Sie damit?«
Er sagte nichts. Er saß einfach da und starrte auf den Tisch, Dorothee begann zu reden.
»Mein Mann hat ihm Geld bezahlt«, sagte sie, »damit er still ist. Damit er schweigt. Uns in Ruhe lässt. Davon hat er sich die Galerie gekauft.«
»So viel Geld? Dass man sich davon eine Galerie finanzieren kann? So viel … Schweigegeld?«
Der Anwalt hob den Kopf. »Er ist aufgetaucht damals. Sie können es Zufall nennen oder Schicksal. Egal. Auf alle Fälle stand er plötzlich in der Tür, als Hannas Baby drei Tage alt war. Hanna lag krank in ihrem Zimmer und Gertrud hatte sich schon des Kindes angenommen. Er hat nicht lange gebraucht, um alles zu durchschauen. Was sollte ich tun?«
Er lachte bitter. »Er war mein bester Freund. Schon, als wir noch Kinder waren. Wir haben alles zusammen gemacht. Über ihn habe ich meine Frau kennengelernt.«
Er schaute sie an, ein langer Blick. »Wir haben während des Studiums zusammengewohnt, das war eine tolle Zeit. Anschließend bin ich hierher zurückgekommen und in die Kanzlei meines Vaters eingestiegen und er hat versucht, als freier Fotograf Fuß zu fassen. Anfangs lief es schlecht, aber das war ihm egal, er war ein Lebenskünstler, hat sich immer irgendwie durchgeschlagen, mal da, mal dort gelebt. Irgendwann ging er nach London, wurde groß, berühmt, hat wohl auch viel Geld verdient. Aber immer wieder mal in dieser Zeit hat er uns besucht. Wir wussten nie, wann, es war immer überraschend, dann hat er bei uns gewohnt, manchmal nur für zwei Tage, manchmal aber für ein paar Wochen. Das war auch in Ordnung, das Haus ist groß genug, das wollten wir alle. Waren schöne Zeiten. Großfamilie.«
Nein, dachte Franza, höchstens die Illusion davon.
»Er hat die Mädchen aufwachsen sehen«, fuhr Brendler fort. »Er mochte sie, sie mochten ihn, er hatte selber keine Kinder, es war immer ein großes Trara, wenn er wieder mal kam. Sie mochten es, wenn er lange blieb. Er hat mit ihnen fotografiert und das war wohl der Auslöser für Hannas Beruf. Er war ein guter Freund. Ja. Der beste, den man sich wünschen konnte. Wirklich. Für alle. Aber ein einziges Mal … kam er zum falschen Zeitpunkt.«
Er stand auf. »Möchte jemand ein Glas Wein?«
Franza schüttelte den Kopf, Dorothee rührte sich nicht. Er ging in die Küche, kam mit einem Glas Weißwein und der angebrochenen Flasche zurück. »Vielleicht«, sagte er, »sollte ich mir das zur Gewohnheit machen, ein bisschen saufen. Angeblich erträgt man damit alles leichter.«
»Nur anfangs«, sagte Franza, »nur anfangs. Später wird alles noch schwerer.«
Er nickte. »Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß, sollte auch ein Scherz sein. Aber es ist wohl nicht die Zeit für Scherze.«
»Erzählen Sie weiter«, sagte Franza.
Er zuckte die Schultern. »Das war’s eigentlich schon.«
»Nein«, sagte Dorothee, »nein, das war’s noch nicht.«
Sie holte tief Luft. »Ich habe mich fürchterlich erschrocken, als er plötzlich in der Tür stand. Wir hatten drei Jahre nichts von ihm gehört! Und plötzlich … steht er da. Ausgerechnet. Mit seinem üblichen Grinsen auf dem Gesicht. Mit seiner Leichtfüßigkeit. Und wir … all diese Geschichten im Haus.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wollte
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