Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
einfach vor die Tür gestellt hatte.
Franza seufzte. »Und wie immer«, sagte sie, »kann alles auch ganz anders gewesen sein.«
»Wenn ich dich nicht hätte«, sagte Herz. »Meine kluge Franza!«
»Und wie immer«, sagte sie, »frage ich mich, was meine Sonja mit diesem Brückl will.«
»Tja«, sagte Herz, »wo die Liebe hinfällt.«
Dann umarmte er sie und sie spürte seine Wärme und dass sie ihn mochte und dass er einer ihrer besten Freunde war.
23 Franza saß auf ihrem abendlichen Balkon, nippte am Kaffee und widerstand der Versuchung, sich eine Zigarette anzuzünden.
Sie dachte an Gertrud und Hanna, an den Fall. Zwei Frauen in der Mitte ihres Lebens, kaum jünger als sie, Franza, der nächste Dekadensprung noch ein paar Jahre entfernt, die eine zumindest würde ihn nicht mehr erreichen.
Was mochte geschehen sein? Was war eingebrochen in ihrer beider Leben, dass alles sich zum Tod verschoben hatte?
Franza würde am Montag bei Borger in der Gerichtsmedizin vorbeischauen, sie würde noch einmal kurz mit Gertrud allein sein, würde schauen, was geschah und irgendetwas geschah immer. Mit Franzas Gedanken. Sie wurden weich. Fingen zu fließen an. Oft in die richtige Richtung. Man würde sehen.
Wind kam auf, hinter den Sträuchern in der Au türmten sich Wolken wie Gebirge, aber man versank wohl in ihnen, wenn man versuchte sie zu ersteigen. Franza musste lachen, als sie sich das vorstellte, begann zu frösteln, ging hinein. Im Bad zog sie sich aus, duschte lange, schlüpfte in den Bademantel, erhaschte einen raschen Blick im Spiegel, drehte sich weg, dann wieder zurück, schaute sich an. Ein wenig trotzig, ein wenig resigniert, aber nicht unzufrieden.
Sie war fünfundvierzig, und das Leben zeigte sich, hinterließ Spuren. Aber eigentlich … war alles gut. Eigentlich. Sie wollte nicht mehr sechzehn sein. Oder zwanzig. Auch nicht dreißig. Diese große Freiheit, die sie empfand, diese Gelassenheit sich selbst und anderen gegenüber, sie war ein Segen der Vierziger. Und also war es gut, wie es war. Meistens.
Ihr Gesicht. Kleine Linien darin, nicht immer da gewesen. Ihre Haare. Brauchten regelmäßiges Tuning. Aber wozu gab es Friseure. Ihr ganzer Körper. Alles an ihm ein bisschen zu weich, ein bisschen zu üppig, aber warm und voller Gelassenheit, ein Spiegel ihres Lebens, das manchmal vielleicht ein bisschen … zu genussvoll verlief. Zu Heidi Klum allerdings würde sie nicht mehr kommen.
Sie seufzte, drehte sich ein bisschen hin und her, betrachtete sich aufmerksam. Nein, definitiv nicht zu Heidi Klum und, wenn sie ehrlich war, wäre sie auch vor fünfundzwanzig Jahren nicht hingekommen, aber das war egal. Völlig egal. Sie war nie eine Stelze gewesen und wozu auch, Stelzen wurden wahrscheinlich auch nicht glücklicher.
Seufzend lächelte sie sich im Spiegel zu, nickte bestätigend und tippte sich dann an die Stirn. Was für spinnerte Gedanken sie doch manchmal hatte!
Hanna Umlauf kam ihr in den Sinn. Die war rank und schlank und die Farbe ihrer Haare war, wer hätte das gedacht, immer noch echt. Aber … sie war verschwunden. Auch nicht das Gelbe vom Ei.
Das Handy surrte. Port. Ich möchte kommen, schrieb er. Kurz lehnte sie sich an die Wand, schaute ins Licht. Sie würden nicht viel schlafen, wenn er kam, sie würde morgen müde sein und Felix’ taktlose Blicke zu ertragen haben. Ja, schrieb sie zurück. Komm! Komm schnell!
Während sie auf ihn wartete, fläzte sie sich auf der Couch und genoss die Stille, die Weichheit, die Wärme. Die Wohnung war ihr Rückzugsgebiet. Ihre Oase. Von Anfang an war das so gewesen. Franza hatte die hohen Räume gesehen, die Aussicht vor den Fenstern, den Balkon, die Bäume, die Donau, die an jenem Nachmittag der Besichtigung in durchsichtigem Grau schimmerte; auf der Stelle hatte sie gewusst, das war ihre Wohnung, kein anderer würde sie bekommen.
Sie war ein Stück weit entfernt von Ports Wohnung. Anderer Bezirk, andere Straße, andere Bäume vor dem Fenster. »Wie gefällt sie dir?«, hatte sie ihn gefragt und sich Begeisterung gewünscht, Zustimmung, aber er hatte nur etwas verständnislos die Stirn gerunzelt und gesagt: »Ja. Schön. Aber warum ziehst du nicht einfach bei mir ein?«
Sie hatte ein bisschen gelächelt und den Kopf geschüttelt. Sie wusste, was ihm noch nicht klar war – dass sie sich abgrenzen musste, dass sie ihm nicht noch näher kommen durfte, denn irgendwann … irgendwann … würde er gehen, in eine andere Stadt, in ein anderes
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