Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
sollten Sie gehen. Ich bin einfach erschöpft, müde. Und immer wieder neue Erkenntnisse. Als ob alles nicht schon schlimm genug wäre.«
Sie sank in sich zusammen. Was fürchtet sie, dachte Franza. Was fürchtet sie noch? Und was alles erzählt sie nicht?
»Gut«, sagte sie, »dann gehe ich jetzt. Danke für den Kaffee.«
Dorothee nickte, aber nahm sie nicht mehr wahr. Franza ging, spürte ihre Müdigkeit, spürte den Schlaf, der ihr fehlte, dachte daran, bei Lilli vorbeizuschauen, vergaß es dann wieder.
42 »Nichts«, sagte Hansen. »Absolut nichts. Der Aufruf in den Abendnachrichten gestern hat auch nichts gebracht. Zwar kamen eine Menge Anrufe, aber die haben alle mit irgendwelchen Zeitungsfotos von ihr zu tun. Seit ihrem Auszug aus dem Hotel hat sie kein Mensch mehr gesehen. Es ist wie verhext.«
»Die perfekte Flucht.«
»Oder das zweite Mordopfer.«
»Ich weiß nicht«, sagte Felix, »irgendwie glaube ich das nicht. Das würde nicht passen. Dann hätten wir doch auch ihre Leiche gefunden. Warum sollte jemand zwei Frauen töten, aber nur eine Leiche verschwinden lassen.«
»Weil er gestört wurde?«
»Hm«, sagte Felix. »Ja, kann sein. Scheiße, die Zeit läuft. Vielleicht rennt da draußen irgendein Wahnsinniger rum und murkst Frauen ab, und wir treten hier auf der Stelle.«
»Oder hat doch Hanna den Mord begangen? Aus irgendwelchen Rachegelüsten aus dieser merkwürdigen Vergangenheit, die dieses trio infernale hatte?«
»Oder doch Rabinsky?«
Sie schwiegen, waren ratlos. Dieser verdammte Fall entpuppte sich als ein Wirrwarr unterschiedlichster Fäden, die irgendwie nicht zusammenlaufen wollten. Zu viele Leute im Spiel, zu viele Möglichkeiten, zu viel Dunkelheit.
»Belitz ist am Ende«, sagte Hansen. »Verfällt zusehends. Ich glaube, der hat irgendeine Krankheit, so grün, wie der aussieht.«
Felix nickte. »Armes Schwein.«
»Vielleicht hat ihm auch einfach die junge Frau nicht gutgetan«, sagte Hansen grinsend und wiegte den Kopf.
Felix lachte. »Ach komm, du bist doch nur neidisch!«
Dann läutete sein Handy. Arthur. Interpol habe sich gemeldet, berichtete er, Griechenland. Sie wollten im Laufe des Tages die alten Berichte über den damaligen Unfall durchfaxen und er, Arthur, war schon dabei, jemanden aufzutreiben, der vom Griechischen ins Deutsche übersetzen konnte. Anschließend werde er die Adresse eines gewissen Ernst Köhler überprüfen, das sei der Vater dieses ominösen Tonio gewesen.
»Gut«, sagte Felix, »passt so.«
Sie verabredeten noch das abendliche Schlusstreffen und beendeten das Telefonat. Felix warf einen Blick auf die Uhr. Schon wieder fast vier. Da läutete das Handy erneut.
Die Kollegen von der Verkehrsabteilung. Sie hatten tatsächlich einen Schuss von Christian Rabinsky. Er war auf der Fahrt zurück in die Stadt mit 120 Sachen ins Radar gerauscht. Um 22 Uhr 10. Zu diesem Zeitpunkt hatte Gertrud noch gelebt. Er konnte also nicht ihr Mörder sein. Glück gehabt.
Felix verspürte eine wärmende Zufriedenheit, machte sich auf, um die gute Nachricht mitzuteilen.
43 Das Ehepaar Rabinsky. Glück sah anders aus. Sie lag in der Gerichtsmedizin auf einem Metalltisch. Er stand vor dem Gerichtsgebäude, das neben dem Untersuchungsgefängnis lag.
Sie hatte schon alles hinter sich, er nur ein paar Stunden wilder Zweifel und Ängste, in denen er um seine Zukunft gebangt hatte. Sie hatte keine Zukunft mehr.
Er schaute in den Himmel, der war trübe, aber das war ihm recht, auch ihm war trübe zumute, obwohl er doch jetzt seine Freiheit wiederhatte und seine Unschuld zweifelsfrei bewiesen war. Man hatte ihn aus seiner Zelle zum Telefon geholt, der Kommissar war dran gewesen, dieser Herz, und hatte ihm mitgeteilt, dass er gehen könne, nach Hause, zu seinen Kindern. Seine Unschuld habe sich herausgestellt, er sei bei seiner Rückkehr in die Stadt ins Radar gefahren und geblitzt worden, da habe Gertrud nachweislich noch gelebt, noch einmal Glück gehabt also.
»Danke«, hatte Christian gesagt, »danke.«
Er war verwirrt und ein wenig verwundert, weil er keine Freude verspürte, aber das dauerte wohl ein bisschen.
»Keine Ursache«, hatte der Kommissar gesagt. »Wir tun nur unsere Arbeit. In jede Richtung eben. Tut mir leid, dass Sie deshalb Unannehmlichkeiten hatten. Machen Sie’s gut. Wenn wir noch was von Ihnen brauchen, melden wir uns.«
Christian hatte genickt und noch eine Weile dagestanden mit dem Hörer in der Hand und dem Tuten in den Ohren.
Ja, hatte er
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