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Rabenvieh (German Edition)

Rabenvieh (German Edition)

Titel: Rabenvieh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Anhofer
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Oma darauf ansprach, dass doch genug Platz für alle auf dem Sofa wäre, erwiderte meine Pflegemutter bissig: »Die soll auf dem Boden sitzen.« Während Friederike und Sybille vor ihren unzähligen, hübsch eingebundenen Päckchen saßen, saß ich am Boden und schaute ihnen neiderfüllt zu, wie sie eines nach dem anderen gierig aufrissen und sich über die Geschenke freuten. Ich hatte meist zwei Päckchen vor mir liegen. Eines von meinen Pflegeeltern und eines von meiner Oma. In dem Päckchen meiner Pflegeeltern war wie fast jedes Jahr entweder eine Strumpfhose oder ein hässliches Nachthemd. In dem Päckchen meiner Oma waren meist Süßigkeiten und etwas zum Anziehen. Zugegeben, meine Oma war nicht auf dem aktuellen Stand, was Mode für Kids oder Teenies betraf, aber sie ließ mir die Freiheit, zu entscheiden, ob ich es gegen etwas anderes umtauschen möchte oder nicht. Sehr zum Ärgernis meiner Pflegemutter, die daraufhin stets meinte, dass ich für das, was ich bekäme, gefälligst dankbar sein soll. Ich durfte nie mit meiner Oma ungestört reden und fand ich doch einmal die Gelegenheit, mich mit ihr kurz zu unterhalten, musste ich meiner Pflegemutter das Gesprochene lückenlos wiedergeben. Außerdem wurde ich von ihr sofort in die Schranken verwiesen, dass ich das in Zukunft gefälligst zu unterlassen hätte. Meine Oma trat auch immer wieder dafür ein, dass der Keller kein Ort für ein Zimmer wäre. Sie war meine einzige Hoffnung und ich klammerte mich lange Zeit an den Gedanken, dass sie eines Tages doch etwas zu meinen Gunsten bewegen könnte. Es blieb nichts anderes als eine Wunschvorstellung. Wurde sie zu lästig oder schnüffelte zu viel, erteilte man ihr sofort Hausverbot, woraufhin ich sie über viele Monate nicht zu Gesicht bekam. Man sah sie schlicht und ergreifend als Gefahr. Als Gefahr dahin gehend, dass sie all die Missstände nach außen tragen könnte. Dasselbe Problem gab es, wenn ich meine Schwester besuchen wollte. Antonia wurde unweit, etwa fünfzehn Gehminuten entfernt, bei einer Pflegefamilie untergebracht. Ich mochte ihre Pflegemutter. Antonias Pflegemutter, eine etwas korpulentere Frau mittleren Alters war fast immer gut gelaunt und war fürsorglich und liebevoll im Umgang mit Antonia. Die ganzen Jahre über beneidete ich meine Schwester um diesen Platz. Ich kam vor Neid fast um, wenn ich mitansehen musste, wie Antonia von ihrer Pflegemutter in den Arm genommen wurde. Allein dieser Anblick ließ mir oft Tränen in die Augen steigen, denn ich ahnte schon sehr früh, dass mir dieses Glück wohl nie vergönnt sein würde. Selten, vielleicht zwei Mal im Jahr, erlaubte mir meine Pflegemutter Antonia zu besuchen. Sie gab mir vor, wie lange ich bleiben durfte, und wenn ich nach Hause zurückkam, musste ich auch das Gesprochene zwischen Antonia und mir wieder lückenlos wiedergeben. Ich übersah einmal die Zeit und verspätete mich, woraufhin mir meine Pflegemutter mit der Lederleine unseres Hundes verständlich machte, dass ich mich nicht zu verspäten hatte. Sie versuchte Informationen aus mir herauszuprügeln, die, wie sie dachte, ich an Antonia und ihrer Pflegemutter weitergegeben habe. Erst als ich ihr unzählige Male versicherte, dass ich nichts von zu Hause erzählt hätte, ließ sie von mir ab. Ich dachte sehr oft daran, Antonia und ihrer Pflegemutter von meinem Martyrium zu erzählen, nur war ich mir lange Zeit unsicher, ob sie auch dichthalten würden. Aber irgendwann war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich nicht mehr anders konnte.
    Ich hatte das Gefühl, jeden Moment verrückt zu werden, wenn ich mich nicht bald jemanden anvertrauen könnte. Wie üblich gab mir meine Pflegemutter auch an diesem besagten Tag die Zeit vor, wie lange ich bei Antonia bleiben durfte. Meist war es eine halbe Stunde. Das reichte laut den Aussagen meiner Pflegemutter, denn was gab es zwischen uns beiden auch schon Großartiges zu bereden. An diesem Tag also saß ich zusammen mit Antonia und ihrer Pflegemutter in deren Küche und redete mir mein Leid von der Seele. Ich erhoffte mir Ratschläge und in welcher Form auch immer Hilfe. Was ich von Antonia stattdessen bekam, war eine Anschuldigung, dass mein Erzähltes an den Haaren herbeigezogen wäre. Antonias Reaktion war ein Schlag in die Magengrube. Ich war von meiner Schwester bitter enttäuscht. Auch sie ließ sich, wie all die anderen auch, von der nach außen hin fürsorglichen Familie blenden. Antonias Pflegemutter hingegen schwieg zunächst, ihrem

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