Rabenzauber
was du bist. Aber er will Rinnie.«
Jes half dem Hüter, seine Wut abzukühlen, und die Bestie war erfreut über die Ruhe, die ihr gestatten würde zu tun, was nötig war.
»Er hat Rinnie?«, fragte er.
»Nicht, als ich gegangen bin - ich dachte, ich könnte vielleicht schneller herkommen als er -, aber sie ist weg, nicht wahr? Deshalb bist du hier und nicht Jes.«
»Mein Onkel war hier«, sagte der Hüter. »Bandor, der Dorfbäcker.«
»Die Lerche soll ihn holen«, flüsterte sie. »Bandor ist einer von Volis’ Favoriten. Würde er deine Schwester Volis übergeben?«
»Er würde ihr nicht wissentlich wehtun«, antwortete der Hüter nach kurzem Nachdenken. »Aber seine Absichten zählen nicht.« Da Jes die Wildheit des Hüters beherrschte, konnte dieser klar denken und sich konzentrieren. »Wir müssen sie finden. Kannst du noch weiterlaufen?«
Lehr hatte recht, es war schon spät, als sie nach Redern kamen, und Seraph war erschöpft, sowohl körperlich als auch gefühlsmäßig. Nur ihre Besessenheit, dem Solsenti -Priester Antworten abringen zu wollen, gab ihr die Kraft, die steile Straße von Redern hinaufzusteigen.
Sie wäre beinahe an der Bäckerei vorbeigegangen, und wenn in Alinaths Zimmer kein Licht gebrannt hätte, hätte sie
das vielleicht auch tun können. Aber Alinath liebte Tier ebenfalls. Seraph blieb zögernd vor der Tür stehen.
»Sie wird dir nicht glauben, Mutter«, warf Lehr ein.
»Doch«, sagte Seraph, »das wird sie - weil sie es ebenso glauben muss wie ich.« Sie lächelte Lehr müde an. »Sie wird immer noch denken, dass es meine Schuld ist - aber zumindest wird sie ihn nicht mehr für tot halten. Sie hat ein Recht darauf, es zu erfahren.«
Seraph klopfte fest an die Tür. »Alinath, ich bin es, Seraph. Mach auf.« Sie wartete, dann klopfte sie noch einmal. »Alinath? Bandor?«
Lehr prüfte die Luft. »Ich rieche Blut. Ist die Tür verschlossen?«
Seraph versuchte den Griff, und die Tür schwang problemlos auf. Im vorderen Raum brannte kein Licht, ebenso wenig wie in der Bäckerei, aber Lehr brauchte kein Licht, und Seraph folgte ihm zu Alinaths Zimmer. Die Tür war nur angelehnt, und Lehr öffnete sie vorsichtig.
»Tante Alinath?«, fragte er, und die Sorge in seiner Stimme bewirkte, dass Seraph sich sofort unter seinem Arm durchschob, mit dem er die Tür weit offen hielt.
Alinath war geknebelt und mit Händen und Füßen ans Bett gefesselt worden. Sie hatte blaue Flecke im Gesicht, und jemand hatte sie so fest auf die Wange geschlagen, dass ihre Haut aufgerissen war und das Blut sich aufs Bettzeug ergossen hatte. Als sie die beiden sah, begann sie sich wild aufzubäumen.
»Ruhig«, sagte Seraph und setzte sich neben Alinath. Sie zog ihr Messer heraus und schnitt vorsichtig um die geschwollene Haut ihrer Schwägerin herum die Seile durch. »Du wirst gleich frei sein.«
»Rinnie«, sagte Alinath, sobald sie wieder sprechen konnte.
»Was?«, fragte Seraph.
Aber Alinath hatte angefangen zu zittern, und Seraph konnte nicht verstehen, was sie sagte.
»Langsam«, befahl sie, aber mit ruhiger Stimme, um Alinath nicht noch mehr aufzuregen. »Was ist mit Bandor und Rinnie? Hat Bandor dir das angetan?«
Alinath versuchte sich hinzusetzen, aber das bereitete ihr offensichtlich Schmerzen, und Seraph eilte sich, ihr zu helfen.
»Es war Bandor«, sagte Alinath schließlich. Sie atmete nur flach; offenbar waren ihre Rippen geprellt. »Er war in letzter Zeit so seltsam - ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Als der Priester heute Nachmittag kam, fing er an, etwas über Rinnie und dich zu murmeln.«
Sie hielt einen Moment inne und schluckte. »Du und ich, wir haben uns nie verstanden, Seraph - aber du würdest dein Leben geben, um deine Kinder zu beschützen. Das weiß ich. Als er also anfing, gefährliche Dinge zu sagen … Dinge, über die sich das ganze Dorf aufregen würde, wenn sie es hörten … Nun ja, ich sagte ihm, er sei ein Narr. Dass es nichts Böses an dir gebe und er kein Recht habe, dich zu beschuldigen, dass du umschattet seist.«
Seraphs Magen zog sich zusammen.
Alinath wandte den Kopf ab. »Er hat mich geschlagen. Das hat er in den vergangenen Monaten schon mehrmals getan. Ich will ja nicht behaupten, dass ich sonderlich umgänglich bin, aber … du kennst Bandor doch auch, er war nie zuvor so!«
»Weiter«, sagte Seraph.
»Diesmal war es mehr als nur ein beiläufiger Klaps. Ich wusste nicht, ob er je wieder aufhören würde. Ellevanal helfe mir - ich denke,
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