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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kopf jedes Anwesenden zu verringern.
    Er hätte es nicht versucht, wenn seine Zelle weiter entfernt gewesen wäre, doch es würde nur einen Moment dauern, die Laute zu holen - nicht lange genug, dass das Publikum ruhelos würde.
    »Barde«, rief ein junger Mann. »Ich dachte, eine Eule könnte jedes Instrument spielen.«
    Tier nickte. »Das habe ich ebenfalls gehört. Aber niemand sagt, dass Eulen wirklich jedes Instrument spielen, nur weil sie es können .«
    Es war nicht Myrceria, sondern einer der Sperlinge, der mit Tiers Laute angerannt kam. Tier nahm das zerschlagene Instrument, setzte sich auf den Bühnenrand und ließ ein Bein baumeln. Er hatte das Instrument erst eine Nacht gehabt, aber die Laute fühlte sich bereits an wie ein alter Freund, als er sie im Arm hielt und ihr die ersten klaren Töne entlockte.

    »Nun«, sagte er, »welche Art von Lied soll es denn sein?« Er spielte einen Wirbel von Tonleitern, so schnell, dass es schwierig gewesen wäre, die einzelnen Töne zu hören. »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Niemand außer einem anderen Musiker würde das mögen.« Er drehte an einem Wirbel, um eine Saite neu zu stimmen. Diese Saite würde er im Auge behalten müssen - wahrscheinlich war sie neu.
    »Kriegslieder hören sich dumm an, wenn man sie auf einer Laute spielt«, sagte er und zupfte ein Stück einer bekannten Melodie, wozu ein paar seiner Zuhörer nickten. »Zumindest, wenn es nicht auch eine Trommel gibt.«
    »Spielt ›Schattenfall‹«, sagte jemand über die anderen Vorschläge der Menge hinweg.
    Tier schüttelte den Kopf. Es würde eine Weile dauern, bis er diese Geschichte wieder zum Besten gäbe. »Nein, das kennen doch alle schon. Was ist mit einem Liebeslied?« Er schlug die ersten Akkorde eines besonders blütenreichen Stücks an und lachte über das Stöhnen des Publikums.
    »Also gut«, sagte er. »Versuchen wir es einmal mit dem hier.« Und er begann mit dem Lied, das er ohnehin von Anfang an hatte spielen wollen.
    Es war eine boshafte, komische Geschichte über einen Mörder aus der Unterschicht, der, einer Eingebung folgend, die Kleidung eines reichen jungen Mannes stahl, den zu töten man ihn bezahlt hatte, und sich fortan als Adliger ausgab. Tier lächelte in sich hinein, als er sah, wie die jungen Männer die dreisten Doppeldeutigkeiten und die schlauen Formulierungen ebenso genossen wie die Soldaten, neben denen er gekämpft hatte.
    Die Laute war zwar abgenutzt, aber mit Abstand die beste, die er je gespielt hatte. Sie reagierte sofort, ihr Klang war klar und fein, sie passte zu seiner Stimme und verlieh den Worten genau die richtige Betonung.

    Er begann mit der dritten Strophe. Die Menge schwieg und versuchte, nur leise zu lachen, damit ihr kein Wort entging. Selbst bei einem so guten Instrument war es schwierig, mit einer Laute die Lautstärke zu erreichen, die er für so viele Leute brauchte. Als er sein Publikum ermutigte, sang es beim letzten Kehrreim so laut mit, dass die Bühne vibrierte.
    Er schloss mit einem Schnörkel. Er konnte spüren, wie die Zauberer vorwärtskamen, aber er beschloss, die Vorstellung ohne sie zu beenden.
    »Und jetzt«, sagte er mit einem bewusst liebenswerten Grinsen, »kommt und esst und trinkt mit mir - und ich werde mein Bestes tun, um Euch zu unterhalten.« Die Laute in der Hand, sprang er von der hohen Bühne, weg von den Zauberern, und führte die Horde bei einer Invasion der Theke an.

10
    E s war schon beinahe dunkel, als Jes zum Hof zurückkehrte.
    Gura begrüßte ihn von der Veranda aus, und Jes zauste das drahtige Haar des Hundes. Der Hüter war heute sehr fordernd gewesen; Jes war müde, und der Kopf tat ihm weh. Er versuchte zu ignorieren, dass etwas nicht stimmte, denn er wusste nicht, ob er den Hüter in diesem Fall unter Kontrolle halten konnte.
    Rinnie war nicht herausgekommen, als Gura bellte.
    Aber der Hüter wusste ebenfalls, dass er müde war, und er war bereit zu warten, bis sie mehr wussten. Also war es Jes, der hinter die Hütte ging und sah, dass Rinnie ein paar Stunden dort gearbeitet und danach ihre Werkzeuge ordentlich weggeräumt hatte.
    Hatte sie die Geduld verloren und sich auf die Suche nach Mutter und Lehr gemacht? Das konnte er sich nicht vorstellen, besonders, da Gura noch hier war. Er folgte Mutters und Lehrs Spuren bis zum Waldrand, aber er konnte nichts erkennen, das darauf hingewiesen hätte, dass Rinnie an diesem Tag hier entlanggelaufen wäre. Der Boden rings um die Hütte war zu festgetrampelt, um

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