Rabenzauber
angewidert gekraust, und er achtete darauf, die Wand nicht zu berühren. Licht fiel aus einer offenen Tür.
Seraph schob die anderen beiseite und betrat den Raum als Erste.
Rinnie war dort; wie Alinath war sie gefesselt und geknebelt, aber Seraph konnte keine Wunden oder Prellungen sehen. Die Erleichterung hätte sie beinahe überwältigt: Rinnie war noch nicht in Sicherheit, aber sie lebte.
Mehrere hundert Kerzen bildeten fünf Kreise auf dem Boden, und Rinnie lag in der Mitte des mittleren. Die anderen enthielten jeweils ein Schmuckstück mit einem einzigen großen Stein.
Volis war ebenfalls anwesend und betrachtete eine zerbrechlich aussehende Schriftrolle auf einem Tisch, der beinahe zu klein für sie war. Er blickte nicht auf, als sie hereinkamen. Wie Hennea ihr geraten hatte, warf Seraph einen Blick auf seine Hände und sah zwei Ringe. Einer von ihnen sollte Rabe sein. Seraph konzentrierte ihre Magie und sah sich die Ringe mit ihrer Hilfe noch einmal an. Rabe und Eule, genau wie Hennea vorhergesagt hatte, aber irgendwie verzerrt und leer. Falsch.
In der hintersten Ecke des Raums saß Bandor im Schneidersitz auf dem Boden, wiegte sich hin und her und murmelte vor sich hin. Eulenkrank, dachte Seraph. Volis, der an die Gesetze der Reisenden nicht gebunden war, hatte Bandor gezwungen, etwas gegen seinen Willen zu tun, und nun bezahlte Bandor dafür.
Sie machte einen weiteren Schritt vorwärts und stieß gegen eine magische Barriere. Mit einem raschen Gedanken machte sie die Barriere sichtbar. Sie bog sich durch den Raum, wobei sich Volis, Bandor und Rinnie auf einer Seite befanden und die Übrigen auf der anderen Seite gefangen saßen - gefangen, weil die Barriere nun auch den Eingang überzog und sie einschloss. Jedenfalls nahm Seraph an, dass sie sich alle dort befanden. Bei ihrem kurzen Blick hatte sie Jes nicht bemerkt.
»Volis«, sagte Seraph.
Ihre Stimme zitterte vor Wut; sie hatte geglaubt, sich besser beherrschen zu können. Sie war so wütend auf den Priester und auf diese unbekannten Männer, die wie er waren und in ihrer Ignoranz ein Unheil anrichteten. Sie hatten Tiers, Rinnies und Seraphs Frieden gestohlen, und dafür würden sie bezahlen. Alle.
Mit schmerzhafter Anstrengung zog sie die Gelassenheit ihrer Ausbildung wieder um sich wie einen Umhang; es war Volis, der die Nerven verlieren musste. Als sie sicher war, wieder ruhig bleiben zu können, sagte sie: »Was tut Ihr da?«
»Ich beschwöre den Pirschgänger herauf«, sagte er, ohne aufzublicken. »Ich habe Euch schon erwartet - wie Ihr sehen könnt. Sobald mein kleiner Rabe ausgeflogen war, nahm ich an, sie würde Euch hierherbringen. Zuerst war ich wütend auf sie, aber dann dachte ich, es könnte sogar gut sein, Publikum zu haben - solange es nicht Teil der Zeremonie wird.«
Hüter waren so gut wie immun gegen Magie - Jes würde durch die Barriere hindurchgehen können. Er konnte vielleicht
durchbrechen, Rinnie holen und wieder auf die andere Seite der Barriere zurückkehren. Aber selbst wenn das nicht möglich war, würde er sie nie allein lassen. Gefangen würde er immer noch versuchen, Rinnie vor Volis zu schützen - und das war einfach zu gefährlich. Seraph würde ihn nur dann in den Kreis schicken, wenn ihr keine andere Wahl blieb.
Sie spürte, dass Jes kurz davor stand, die Beherrschung zu verlieren, denn die Raumtemperatur fiel schnell.
»Ihr seid ein ignoranter Dummkopf«, sagte sie kalt. »Der Adler ist nicht der Pirschgänger. Der Pirschgänger hat den Schatten erst zu dem gemacht, was er war. Wenn es Euch gelingt, ihn heraufzubeschwören, werdet Ihr nicht mehr sein, sondern nichts. Der Pirschgänger hat deshalb keine Anhänger, weil alles, das ihm gehorcht, zu einem Ding wird.«
»Glaubt nicht, dass ich mich nicht mit Leuten wie Euch auskenne«, sagte Volis. »Mein erster Lehrer sagte mir gern, wie unwissend ich sei, weil er Angst vor mir und vor dem hatte, wozu ich in der Lage war. Also blieb ich jahrelang sein Lehrling und tat, was er wollte. Als der Meister des Geheimen Pfads mich fand und mir die Wahrheit sagte, sorgte ich als Erstes dafür, dass mein alter Lehrer eine Lektion erhielt, die bewirkte, dass er nie wieder jemanden in die Irre führen konnte.« Er klang sehr zufrieden mit sich selbst. »Lasst Euch das eine Warnung sein. Ihr sagt, ich mache Fehler, aber Ihr kennt mich nicht. Ihr wisst nicht, wozu ich in der Lage bin.«
Die intensiver werdende Kälte ließ Seraph schaudern, aber sie verließ sich darauf,
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