Rabenzauber
nachzusehen, was los war, nicht, solange die Bewaffneten des Kaufmanns in der Nähe lauerten - die falschen Leute könnten umkommen.
»Kommt mit«, versuchte Benroln seine Diplomatie bei dem Kaufmann. »Das hier wird eine Weile dauern. Ich habe Würfel mitgebracht. So können wir die Zeit totschlagen, während Seraph arbeitet.«
Gut, dass er sich eingemischt hatte, bevor sie den Kaufmann zu sehr verärgert hatte, dachte sie und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Feld zu. Lehr brauchte alle Zeit, die sie ihm geben konnte.
Und warum hat dieser Zauber nicht wirklich funktioniert?, fragte sie, als sie die verfluchende Magie von Sprösslingen entfernte, die höchstens halb so groß waren, wie sie um diese Jahreszeit hätten sein sollen. Bei der Kraft des Zaubers, den sie auflöste, hätte auf diesem Feld überhaupt nichts wachsen sollen außer vielleicht ein paar Quecken.
Es wurde Nacht, aber sie achtete nicht darauf - sie brauchte kein Licht, um zu finden, was sie suchte. Schließlich löste sie den letzten Zauber, und das Gewebe fiel in sich zusammen und verlor die Form, weil ihm die Verankerung fehlte.
Die Magie, die der Zauberer für seinen Bann benutzt hatte, trieb davon, als seine Arbeit ihre Macht verlor. Aber beinahe sofort wurde sie fest gepackt und in die Erde eingearbeitet,
um den Boden zu bereichern. Erst jetzt verstand Seraph, wie es dem Bauern gelungen war, auf diesem Feld etwas zum Wachsen zu bringen.
Es gab noch andere Geschöpfe, die Magie gebrauchten, nicht nur die Schattenungeheuer im Felsengebirge. Die meisten von ihnen waren bei Schattenfall gestorben, aber einige hatten entkommen können.
Dieses hier war nicht stark genug gewesen, um den Bann zu entfernen, hatte sich aber gewaltig angestrengt, um die Auswirkungen zu mildern. Was immer es auch sein mochte, es hatte Seraphs Einmischung sicher gespürt und beobachtete sie nun.
»Mhm«, murmelte sie und lächelte erfreut, als sie sich vorbeugte und die Hände in den weichen Boden sinken ließ, wo die Magie in den Erdkrümeln ihre Finger kribbeln ließ.
Sie sandte eine Ranke suchender Magie aus und hielt diesmal nach einem nicht menschlichen Geschöpf Ausschau. Beinahe sofort fand sie etwas, aber es war anders, als was sie erwartet hatte: Dunkelheit, wenn auch kein Schatten, etwas Natürlicheres, Elementareres als die Wälder der Umgebung - etwas Beängstigendes. Es konnte nur Jes sein.
Der Zeitpunkt war gekommen, ob Lehr nun bereit war oder nicht. Sie schob das Geheimnis um den Beschützer des Bauernhofs beiseite und begann.
Sie stand auf, streckte theatralisch beide Arme aus und sagte etwas in der alten Sprache. Es waren keine Worte der Macht - die brauchte sie nicht. Sie kannte ohnehin nicht viele Worte der alten Sprache, aber sie hätte jederzeit gewettet, dass Benroln noch weniger kannte.
Ihr Vater hätte ihre Gesten als dramatisches Getue abgetan, aber ihr Großvater hätte es verstanden. Einige Leute glaubten einfach nicht an Magie, wenn sie nicht mit Licht und Lärm kam.
Der Kaufmann selbst hatte ihr die Idee dazu gegeben, und die unerwartete Magie im Boden verlieh ihr nun die Macht. Sie zog Lichtfäden aus dem Boden und ließ sie glitzern und wachsen wie Spinnennetze, ließ sie von einem Weizenhalm zum anderen tanzen, bis das ganze Feld von einem Licht schimmerte, das rasch in Wellen alle Regenbogenfarben durchlief. Es sah hübsch aus, dachte sie, obwohl es nur Licht war.
Aber kein Solsenti auf der Welt würde den Blick von diesem Feld abwenden, um hinter sich zu schauen, wo Seraphs Kinder sich näherten. Benroln und der Kaufmann kamen aus dem Wald, aber ein wenig Magie ließ sie am Waldrand verharren.
Jetzt ging es darum, dem Kaufmann vollkommen deutlich zu machen, was sein Gold ihm erworben hatte. Das war schwieriger, und sie hätte es nie versucht ohne den bitzelnden, kribbelnden Boden, der beim Wachstum der Pflanzen half.
Langsam hob sie beide Arme und ließ ihre Magie in die Pflanzen fließen. Wachst, drängte sie sie, wachst und seid stark.
Die Halme wurden dicker und reckten sich …
Eine geschicktere Hand als ihre berührte die Pflanzen, richtete sie gerade auf und verstärkte sie, brachte Wurzel, Halm und Kopf des Getreides in ein Gleichgewicht, wie Seraph es nie gekonnt hätte, obwohl sie wusste, dass die Pflanzen genau so wachsen sollten - es fühlte sich einfach richtig an.
Da ihre Magie nicht mehr gebraucht wurde, warf sie einen Blick zu der Quelle der tieferen Magie und sah sie neben einem Zaunpfahl sitzen.
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