Rabenzauber
glaube wirklich nicht, dass Euch silberne Gebäcktellerchen und Tische mit gedrechselten Beinen auch nur im Geringsten interessieren. Was genau wollt Ihr hier eigentlich?«
Phoran glaubte inzwischen, dass Avar unschuldig war und man ihn nur geschickt hatte, um dem Kaiser Gesellschaft zu leisten und ihn zu beschäftigen. Dennoch, er traute seiner eigenen Einschätzung noch nicht so recht. Er hätte Avar nicht mitnehmen sollen.
Klinge warf den Kopf herum, und Phoran ließ die Zügel durch die Finger gleiten, dann verkürzte er sie nach und nach wieder, um einen leichten Zugriff auf den Hengst zu behalten. »Wer hat dir nach dem Tod meines Onkels gesagt, dass du dich mit mir anfreunden sollst?«
Avar erstarrte.
»Schon gut«, sagte Phoran und behielt dabei die überfüllten Straßen besser im Auge als Avar. »Ich wüsste nur gerne, wer es war.«
»Mein Vater«, sagte Avar. »Aber es war nicht …«
»Ich fürchte doch«, sagte Phoran bedauernd. »Ich war … was, zwölf? Und du siebzehn. Es muss eine unangenehme Aufgabe gewesen sein - und ich danke dir, dass du sie erfüllt hast.«
Er holte tief Luft und entschied sich, Avar zu vertrauen. »Ich versuche, eine Art Machtbasis aufzubauen. Ich werde mich den Septs sehr intensiv widmen müssen, bis ich weiß, wer mir widersprechen wird und warum. Aber die Stadt ist für die Stabilität des Kaiserreichs ebenso wichtig wie die Septs. Ich dachte, es wäre gut, hier ein wenig Rückhalt zu suchen. Die Septs sind zu stolz, sich danach umzusehen.«
»Ich mag Euch wirklich«, sagte Avar leise. »Das habe ich immer getan.«
»Ah«, erwiderte Phoran, weil ihm nichts Besseres einfiel. Wie konnte Avar ihn gemocht haben, wenn ansonsten alle, Phoran selbst eingeschlossen, den Kaiser verachteten? Was gab es da schon zu mögen? Aber Avar hatte sein Bestes getan, Phoran bei seinen Plänen zu helfen, und dafür, und für so viele Jahre der Pflichterfüllung, schuldete Phoran ihm die Möglichkeit, bei seinen Notlügen bleiben zu können.
Sie ritten schweigend weiter zum Meisterimporteur, der Waren aus dem gesamten Kaiserreich und anderen Ländern einführte.
»Ist Gildenmeister Emtarig da?«, fragte Phoran den Jungen, der im Laden arbeitete.
»Nein, Herr. Kann ich Euch helfen?«
Der Junge musste neu sein, und Phoran bezweifelte, dass er auch nur ahnte, wen er vor sich hatte. Der junge Kaiser trug Reitkleidung ohne kaiserliche Symbole - nur sein Gesicht hätte verraten können, wer er war.
»Junge«, sagte Avar recht freundlich, »richte deinem Meister aus, dass der Kaiser ihn im Laden erwartet.«
Der Junge schaute zwischen Phoran und Avar hin und her und versuchte offenbar zu entscheiden, welcher der beiden der Kaiser war. Schließlich verbeugte er sich vor Avar, eilte hinter einen Vorhang und dem Geräusch seiner Schritte nach zu schließen durch einen Flur und eine Treppe hinauf in die Wohnung des Meisters.
Phoran betrachtete die Dinge auf den beladenen Regalen und verbarg sein Lächeln. Avar konnte schließlich nichts dafür, dass er mehr nach einem Kaiser aussah als Phoran selbst.
Die Mitglieder der Importeursgilde hatten nach ausführlichen Verhandlungen mit den anderen Gilden das Recht erhalten, Gegenstände zu verkaufen, die nicht in der Stadt hergestellt worden waren. Es gab wunderbar gegerbte Felle von Tieren, die Phoran nie zuvor gesehen hatte - und wahrscheinlich auch niemals sehen würde. Wertvolle Kelche aus Glasbläserwerkstätten standen auf einem hohen Regal, wo niemand sie aus Versehen umstoßen konnte. Phoran hatte gerade ein paar bunte Perlen in der Hand, die ihn interessierten, als er hörte, wie der Junge die Treppe wieder heruntergesprungen kam.
Er drehte sich nicht um, ehe er hörte, wie hinter ihm jemand sagte: »Großzügigste Majestät, Ihr ehrt meinen Laden.«
»Meister Willon?«, fragte Phoran ehrlich erfreut. Er musste sich noch einmal umdrehen, um die Perlen zurückzulegen. »Ich dachte, Ihr hättet Euch in eine götterverlassene Provinz zurückgezogen und wolltet nie wieder nach Taela zurückkehren?«
»Seid vorsichtig, Phoran«, sagte Avar grinsend. »Er ging nach Redern, das zu meiner Sept gehört.«
»Und Leheigh ist wirklich ein götterverlassener Ort«,
stimmte Phoran zu. »Was bringt Euch denn hierher zurück? Ich hoffe, es geht Meister Emtarig gut.«
»Mein Sohn ist gesund und munter«, antwortete Willon. »Aber ich habe meine Enkel lange nicht mehr gesehen. Ich dachte, es sei Zeit für einen Besuch. Mein Sohn ist auf dem Markt, um
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