Rabenzauber
einen großen Bogen um Jes. »Hennea?«, fragte sie.
Lehr grinste. »Ich denke, es geht ihr ebenso wie ihm - sie ist vielleicht ein wenig erschrocken, aber Jes ist sehr zufrieden mit sich.«
»Hennea ist der Rabe, den ihr gefunden habt, nicht wahr?«, fragte Tier.
Sie nickte.
»Mach dir keine Sorgen, Mutter«, bat Jes.
Tier lächelte und küsste sie auf den Kopf. »Du solltest Jes vertrauen«, sagte er. »Er wird es schon richtig machen.« Dann sah er Lehr an. »Wie gefällt es dir, ein Jäger zu sein?«
»Er war immer ein Jäger«, sagte Seraph bissig. Sie war nicht sicher, ob sie Lehrs Antwort auf diese Frage hören wollte. Sie konnte nicht ertragen, dass ihre Söhne unglücklich waren. »Er wusste es nur nicht.«
»Die Lerche von Rongiers Clan hat mir ein paar ziemlich interessante Dinge beigebracht«, sagte Lehr.
Tier streckte die Hand aus und tätschelte mitfühlend Lehrs Knie.
»Rinnie wollte ein Hüter sein«, sagte Jes und sah seinen Bruder liebevoll an. »Sie wollte sich in einen Panther verwandeln können, genau wie ich.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Tier. »Ihr habt mir alle so gefehlt!«
»Wir sollten gehen, Papa«, sagte Jes plötzlich.
»Das können wir nicht«, stellte Seraph fest. »Einer von Tiers Freunden ist in Gefahr, und außerdem haben die Zauberer Tier einen Bann auferlegt, sodass er die Domäne des Pfads
nicht verlassen kann.« Sie sah in den Augen ihres Sohnes, dass der Hüter sich erhob, und sagte: »Ich kann etwas gegen diesen Zauber tun, aber ich brauche Zeit, um ihn zu studieren. Und außerdem werden wir ohnehin nicht gehen, ehe Tiers Freund in Sicherheit ist. Tier, Lehr hat dir unsere Geschichte erzählt - jetzt wollen wir wissen, wie es dir ergangen ist.«
Sie waren kein so höfliches Publikum wie er und unterbrachen ihn häufig. Seraph bohrte nach Einzelheiten über das wenige, woran er sich von seinen Begegnungen mit den Zauberern des Pfads erinnern konnte. Lehr neckte ihn wegen der Frauen, die ihn gewaschen und sein Haar geflochten hatten, und machte sich Gedanken über die magische Gefangenschaft. Jes war still, bis Tier ihnen von seinem kaiserlichen Besucher erzählte.
»Der Kaiser?«, fragte Jes. »Der Kaiser kam in deine Zelle?«
»Woher wusste er, dass du hier warst?«, fragte Lehr misstrauisch.
»Ich habe geschworen, darüber zu schweigen, also brauche ich seine Erlaubnis, um es erzählen zu können«, sagte Tier. »Aber das ist ohnehin eine vollkommen andere Geschichte.«
Beide Jungen freuten sich, als Tier berichtete, dass er begonnen hatte, die Sperlinge auf seine Seite zu ziehen.
Seraph schüttelte den Kopf. »Sie ahnten nicht, was sie taten, als sie dich entführten.«
»Nun«, sagte Tier, »vielleicht war ich zu gut. Offenbar hat Telleridge versucht, einen meiner Jungen dazu zu bringen, einen anderen zu schikanieren - etwas, das dieser Junge schon ein paarmal getan hatte. Diesmal weigerte sich Kissel jedoch, und da er ein offener, direkter junger Mann ist, sagte er Telleridge, er werde es nicht tun, weil es mir nicht gefallen würde.«
»Ist das derjenige, um den du dir Sorgen machst?«, fragte Seraph.
»Myrceria sagte mir heute Abend, dass die Meister, die Zauberer
des Pfads, eine sogenannte Disziplinierung veranstalten wollen.« Er erzählte ihnen, was er darüber wusste. »Ich glaube nicht, dass sie wirklich Kissel im Auge haben; er hat wichtige Freunde. Ich glaube, sie werden den Jungen nehmen, den Kissel schikanieren sollte.«
Er lehnte den Kopf an die Wand. »Seraph, du sagtest, Bandor und der Meister in Redern seien umschattet gewesen.«
»Ja. Lehr und Jes konnten es beide sehen.«
Er holte tief Luft. »Als Phoran und ich alle Informationen zusammensetzten, die wir über den Pfad hatten, kamen wir zu beunruhigenden Schlüssen. Die Pest, die vor zwanzig Jahren so viele Reisendenclans tötete, drang auch in die adligen Häuser des Reiches ein, und als sie zu Ende war, war der Kaiser tot, und nur ein Kind blieb als Thronerbe zurück. Außerdem wurde ein hoher Prozentsatz der Anhänger des Pfads zu Septs, obwohl zuvor vielleicht acht oder zehn Leute zwischen ihnen und ihrem Erbe gestanden hatten.«
»Du glaubst, es könne einen anderen geben.« Ein Schauder überlief Seraph. »Nicht nur umschattet, sondern freiwillig umschattet wie der namenlose König. Denkst du, es könnte Telleridge sein?«
Er nickte. »Phoran hat nach meinem alten Kommandanten, dem Sept von Gerant, geschickt. Er ist auf dem Weg hierher. Mit seinem militärischen und
Weitere Kostenlose Bücher