Rabenzauber
Tieragan aus Redern, und diese beiden«, er bemerkte, dass er Jes nicht sehen konnte, was häufig geschah, wenn sein Sohn Wache hielt, und veränderte den Satz: »Dies hier ist mein Sohn Lehr.«
Der Schmied sah sich nervös um. Das konnte Tier ihm nicht übel nehmen, er spürte es ebenfalls - aber anders als der Schmied wusste er, wo sein Unbehagen herkam. Jes war irgendwo in der Nähe. Als wäre der Hüter nicht schon bedrohlich genug, brachte auch noch seine Magie allen in seiner Nähe Kälte und Angst.
»Ich heiße Aliven«, sagte der Schmied, der nun widerstrebend auf die Freundlichkeit reagierte, die Tier mit all seinen Fähigkeiten ausstrahlte.
Tier machte einen Schritt nach vorn, und Aliven der Schmied trat zurück und gestattete Tier, an ihm vorbei ins Haus zu kommen.
Zwei Kinder, ein Junge, der nicht viel älter war als Tiers kleine Tochter, und ein etwas jüngeres Mädchen hatten sich nahe dem Stützbalken mitten im Raum zusammengekauert. Ihre schmuddeligen Gesichter waren in dem Licht, das zwischen den Dielen hindurchfiel, nur schwach zu erkennen. Der Junge hatte einen Arm um das Mädchen gelegt und behielt Tier misstrauisch im Auge. Die anderen Bewohner des Hauses waren zwei Erwachsene, ein Mann und eine Frau, die auf Strohsäcken auf dem Boden lagen.
Lehr folgte Tier und kniete sich neben den mit einem festen Tuch zugedeckten Mann.
»Was hat das verursacht?«, fragte er und zeigte auf etwas, das Tier in dem unsicheren Licht nicht sehen konnte.
Es gab ein Fenster direkt neben der Tür, aber die Läden waren geschlossen. Tier riss den Riegel weg und schob die Läden zur Seite, damit er sehen konnte, was Lehr so erschreckt hatte.
Im besseren Licht waren die Wunden der Frau nun deutlich zu erkennen, und man konnte sehen, dass das Gesicht des Mannes von etwas Scharfem aufgerissen worden war.
»Es hat drei Krallen benutzt«, sagte Lehr. »Genau wie das Geschöpf, das die Hühner und die beiden Männer hinter der Töpferwerkstatt umgebracht hat.«
»Die Fahlarn hatten Dreizacke mit zugeschliffenen Spitzen, die ähnliche Wunden verursachten«, sagte Tier und kniete sich hin, um die Verletzungen besser sehen zu können. »Aber siehst du, wie der Knochen geritzt ist? Was immer ihn erwischt hat, war schärfer als die Waffe eines Fahlarn, schärfer als jede Kralle oder Klaue, die ich je gesehen habe.«
Jes kam mit einer Welle kalter Luft herein, die irgendwie den Fäulnisgeruch wegschob. Die Aura der Furcht, die ihm folgte, brachte den Schmied so sicher auf die Knie, wie eine Axt einen Baum fällt.
»Was ist ihnen zugestoßen?«, fragte Tier.
»Das Ungeheuer«, flüsterte Aliven. »Es hat als Erstes meine Tochter getötet und dann meine Frau verletzt, die Lorra helfen wollte. Dann hat es Tally angegriffen.« Er zeigte auf den Mann, neben dem Lehr immer noch kniete. Zögernd warf er einen Blick auf seine Kinder und fügte dann leise hinzu: »Als Kaor und Habreman kamen, um die Pflugschar abzuholen, die ich repariert hatte, brachte es sie ebenfalls um.«
»Wie sieht es aus?«, fragte Tier.
Der Schmied schauderte schon beim Gedanken an das Wesen, oder vielleicht auch nur wegen der Kälte und Angst, die Jes permanent ausstrahlte. »Es war zu schnell. Ich kann Euch sagen, dass es kein Wolf war, kein Eber und kein Dachs. Es war schneller als ein Fuchs und vielleicht doppelt so groß. Und es hatte vier Beine und einen kurzen Schwanz, der wuschelig und hell aussah. Der Rest war dunkelbraun oder grau.«
Er starrte Jes an, dann fiel sein Blick auf Lehrs aschblondes Haar. »Ich habe nicht viel Silber«, sagte er schließlich. »Mein Vetter hat ein Goldstück zurückgelegt, schon vor langer Zeit, als er als junger Mann für den Kaiser kämpfte, aber ich weiß nicht, wo er es versteckt hat. Ihr könntet Euch vielleicht an meinen Sept wenden, denn es ist sein Brunnen, den wir benutzen, aber ich bezweifle, dass er Reisende bezahlen wird, ganz gleich, was sie tun. Er lässt sie für gewöhnlich von seinen Bewaffneten von seinem Land vertreiben.«
Tier wollte sich gerade weigern, Bezahlung anzunehmen, aber dann hielt er inne. In dem Reisendenclan, der sie nach Hause begleitete, gab es eine Menge hungriger Mäuler, und sie verdienten ihren Lebensunterhalt, indem sie Leuten wie dem Schmied halfen.
»Ich weiß nicht, was es kosten wird, wenn wir Euch von diesem Wesen befreien«, sagte er schließlich. »Das ist nicht meine Entscheidung. Aber es wird nicht mehr sein, als Ihr zahlen könnt - das verspreche ich.«
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