Rabenzauber
die meisten trugen. Es war nicht ungewöhnlich, so viele Fremde hier zu sehen - die Schänke lag nahe an der Straße. Sie freute sich, dass sie Lehr ihren Bücherstapel mitgegeben hatte - Bücher waren wertvoll, und einige dieser Männer sahen aus, als seien sie manchmal auch anderen, weniger rechtschaffenen Beschäftigungen nachgegangen.
Die Menge geriet in Bewegung, und nun konnte sie den Lautenspieler sehen. Schockiert hielt sie den Atem an. Es war Tier. Noch während sie ihn beobachtete, schüttelte er den Kopf und legte die Laute hin.
»Seraph.« Regil, der Besitzer der Schänke, streckte den Arm aus, um sie zu stützen, berührte sie dann aber doch nicht. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja«, erwiderte sie und fasste sich wieder. »Entschuldige mich.«
Tier war durchaus in der Lange, schlecht zu spielen, dachte sie, aber nur, wenn er das wirklich wollte. Sie hatte die ersten beiden Wochen, nachdem sie ihn befreit hatte, insgeheim damit verbracht, sich immer wieder zu überzeugen, dass die Zauberer des Pfads ihm keinen Schaden zugefügt und seine Weisung nicht gestohlen hatten. Seit er sich von den tieferen Wunden erholt hatte, hatte sie aufgehört, sich Sorgen zu machen, und ihn nicht mehr mithilfe der Magie betrachtet.
Den Raben ist gegeben, die Weisungen zu sehen. Sie beschwor ihre Magie herauf und hielt Ausschau. Das feine Gewebe von Tiers Weisung umgab ihn wie eh und je, aber es hatte Löcher.
Sie ging auf Tier zu, aber die wenigen Worte mit dem Besitzer der Schänke hatten die Aufmerksamkeit mehrerer Fremder erregt.
Ein Mann rechts von ihr stand auf. »Eine Reisende? Ich dachte, Tiere müssten draußen bleiben.«
Seraph blieb stehen und starrte ihn an, wartete darauf, dass er etwas anderes tat. Irgendetwas anderes. Zorn rauschte durch ihre Adern und brachte Magie mit. Tier war zu Hause. Er hätte in Sicherheit sein sollen. Dieser Söldner hatte mit ihrem Zorn nichts zu tun.
Nichts, und alles.
»Seraph Tieragansweib«, unternahm der Schänkenbesitzer den mutigen Versuch, sie von dem Söldner abzulenken. »Wie du siehst, hat dein Mann uns mit seinen Geschichten unterhalten.«
Sie ließ den Blick nicht von dem Bewaffneten weichen. »Ich freue mich, das zu hören«, sagte sie.
»Seraph«, warf Tier ein. »Lass den armen Mann in Ruhe.«
Wenn dieser »arme Mann« an einem anderen Ort so gesprochen hätte, gegenüber einer anderen Reisenden, einer, die kein Rabe war, hätte er damit echten Schaden anrichten können. Benroln hatte vielleicht doch recht gehabt - wenn die Solsenti mehr Angst vor Reisenden hätten, würden sie nicht so viele Clans töten.
Der Pfad hätte nicht angefangen, Reisende zu entführen, und Tier hätte keine Risse in seiner Weisung. Seraph hatte so etwas noch nie gesehen, aber bis der Pfad Tier entführt hatte, hatte sie auch noch nie davon gehört, dass jemand die Weisung von ihrem Träger trennen konnte.
» Hinsetzen«, sagte sie zu dem Söldner.
Tier konnte in seine Worte einen Zwang legen, der Menschen dazu brachte, ihm zu gehorchen. Seraphs Magie veranlasste vor allem den Körper des Mannes, ihrem Befehl Folge zu leisten. Gleiches Ergebnis, andere Ursachen. Der Mann ließ sich auf den Stuhl sacken wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten worden waren.
»Still jetzt.«
Der Bann würde in etwa einer Stunde nachlassen - sie hatte ihm keine besondere Kraft verliehen. Der Rest der Schänke war wunderbarerweise still geworden, obwohl Seraph sehr darauf geachtet hatte, dass ihre Magie nur den Mann traf, der sie geärgert hatte.
Den Rest des Weges zu Tiers Tisch legte sie begleitet von dem nervösen Regil zurück.
Willon stand auf, als sie näher kam. Sie hatte sich auf Tier konzentriert und nicht einmal bemerkt, dass jemand bei ihm saß, bevor der Kaufmann sich bewegte. Er nahm ihre Hand und küsste sie. So etwas hatte er noch nie getan, und es lenkte sie einen Moment ab. »Seraph, es ist schön, Euch zu sehen. Bitte entschuldigt das Verhalten des Söldners meines Vetters. Er wird bald weiterziehen.«
Seine Worte und seine Höflichkeit sollten die anderen Männer wissen lassen, dass sie sie nicht mehr behelligen sollten, dachte sie mit vager Dankbarkeit.
»Willon.« Sie konnte jetzt einfach kein beiläufiges Gespräch mit dem Kaufmann führen, nicht, wenn sie sich solche Sorgen um Tier machte.
Tier würde sich bereits bei Willon bedankt haben, weil der Kaufmann bis nach Taela gereist war, um ihnen zu helfen, also brauchte sie das nicht zu wiederholen. Sie nickte
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