Rabenzauber
zurückliegenden Vergangenheit erzählen, von Karadoc, der den Waldkönig in den Tempel brachte und die Rune läuterte.
Sie hatten nur eine Sache erfahren, die zwar interessant sein mochte, aber nicht unbedingt wichtig für ihre Suche nach dem Schatten schien.
Seraph hatte immer schon gedacht, dass dieser neue Tempel zu groß war, um in so kurzer Zeit nach dem Eintreffen des
neuen Sept von Leheigh, der Volis und andere Magier des Pfads in seinem Gefolge gehabt hatte, und der Eröffnung des Tempels der Fünf in den Berg gegraben worden zu sein. Nun erwies sich, dass sie recht gehabt hatte.
Die unteren Gänge sagten ihr, dass sie schon vor vielen Jahren insgeheim gegraben worden waren, um Waren vor dem Steuereinnehmer des Sept zu verstecken. Als Volis seine Leute nach Redern gebracht hatte, um den Tempel zu bauen, waren sie offenbar auf diese älteren Gänge gestoßen. Seraph fragte sich, ob Willon davon wusste - immerhin befand sich die untere Ebene des Tempels auf der gleichen Höhe wie sein Laden.
In unausgesprochenem Einverständnis hatten sie sich Volis’ Schlafzimmer bis zuletzt aufgehoben: Seraph war davon ausgegangen, dass es nach der Bibliothek der wahrscheinlichste Ort sein würde, um etwas Interessantes zu finden, aber sie nahm an, Hennea habe es aus einem anderen Grund aufgeschoben.
Seraph fand ein Armband mit einem gelblichen Saphir, das zwischen die Kissen von Volis’ Bett gefallen war. An den Edelstein war keine Weisung gebunden, also kümmerte sie sich nicht weiter darum. Dann ließ sie das Bettzeug fallen, das sie durchsucht hatte, und blickte zu Hennea.
Der andere Rabe durchsuchte gerade ein paar Truhen, die an der Wand standen, und vermied es, zum Bett zu schauen. Wenn Seraph noch irgendwelche Zweifel gehabt hätte, wozu Volis Hennea gezwungen hatte, hätte ein Blick auf ihr Gesicht genügt. Hennea hatte kein Wort gesagt, und Seraph fragte nicht. Manchmal war Schweigen alles, was sie anzubieten hatte.
Als sie fertig waren, überließ Seraph es Hennea, einen Bann über Jes’ geheimem Raum zu verhängen, in dem sich nun ein neuer Schatz befand, während sie zusammen mit Rinnie die Bücher über die Reisenden zusammenpackte.
Jes kam in die Bibliothek. »Es ist jetzt wirklich ein guter Geheimraum«, sagte er. Hennea und Lehr folgten ihm auf dem Fuß.
»Ich bin froh, dass es dir gefällt«, sagte Seraph zu Jes. »Nimm dir einen Bücherstapel, und wir gehen nach Hause.«
»Ich trage meine Landkarten«, erklärte Rinnie selbstzufrieden. Vielleicht war es nur das Wissen, dass sie das Interessanteste im ganzen Tempel gefunden hatte, aber Seraph nahm an, ein Teil ihrer Zufriedenheit hatte auch damit zu tun, dass die Tasche mit den Schriftrollen erheblich leichter war als die Bücher.
Die Schänke war ein sehr altes Gebäude, vielleicht das älteste in Redern, und stand beinahe am Fuß des Berges. Als Seraph dazu ansetzte, die unterste Verandastufe zu betreten, berührte Lehr ihren Arm. Als sie ihn ansah, nickte er zu Jes, der bleich war und schwankte - immer ein schlechtes Zeichen.
»Warum geht ihr nicht direkt nach Hause?«, sagte Seraph zu Lehr. »Ich hole Tier ab, und wir folgen euch.« Sie gab ihm ihren Bücherpacken, den er zusammen mit seinem eigenen tragen konnte. Er lächelte leicht, um ihr zu sagen, dass er es verstand, wenn sie nicht jedem in der Schänke erklären wollte, wieso sie einen Rucksack voller Bücher aus dem Tempel bei sich hatte.
»Das klingt gut«, sagte Hennea. Sie machte einen Schritt auf Jes zu, zögerte und nahm dann seinen Arm. Er zuckte zusammen, als hätte er sie erst bemerkt, als sie ihn berührte. »Komm, Jes«, sagte sie ein wenig liebevoller als sonst. »Wir gehen nach Hause.«
Besorgt sah Seraph ihnen hinterher. Jes hatte das Dorf nie gemocht, aber so sehr hatte es ihn bisher kein einziges Mal gestört. Ging es ihm schlechter? Gab es eine Möglichkeit, ihm zu helfen? Sie fühlte sich, als hätte sie ihr halbes Leben damit verbracht,
sich diese Fragen zu stellen, und sie wusste immer noch nicht mehr als vor zwanzig Jahren.
Sie suchte nach etwas Erfolgversprechenderem, worüber sie nachsinnen konnte, und dachte daran, was Hennea zuvor aufgeworfen hatte. Was, wenn es mehr Solsenti mit einer Weisung gab? Hätte sie Tiers Weisung auch erkannt, wenn sie ihm nicht unter so ungewöhnlichen Umständen begegnet wäre?
Völlig in Gedanken versunken, zuckte sie zusammen, weil es in der Schänke so laut zuging. Söldner, dachte sie, als sie sah, wie viele Waffen
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