Rabenzauber
unterwegs und liebt die Herausforderung eines langen Ritts. Du solltest ihr nur kein Geschirr anlegen und sie einen Pflug ziehen lassen, wie dein Vater es mit seinem fahlarnischen Wallach gemacht hat. Sag deinem Vater, er soll zu mir kommen, und ich finde ihm einen Ersatz für die Graue, die er verloren hat. Ich habe ein paar Pferde, die ihm gefallen sollten.«
»Ich bezweifle, dass wir uns das leisten können«, antwortete Lehr, aber er dachte ohnehin nicht an ein neues Bauernpferd; er war dabei, sich zu verlieben.
Die Stute war noch schöner, als er gedacht hatte, feinknochig wie ein Jagdhund und beinahe so groß wie Scheck. Lebhafte dunkle Augen betrachteten ihn neugierig und mit der Freundlichkeit eines Pferdes, das nie falsch behandelt worden war. Sie hatte eine flachsfarbene Mähne und einen ebenso hellen Schweif, die exotisch lang und seidig und wahrscheinlich der Grund für ihren Namen waren. Ihre Nüstern waren weit offen, um den Wind zu trinken.
»Sag es deinem Vater, und wir werden schon etwas aushandeln können«, wiederholte Akavith. Seine zerklüfteten Züge entspannten sich ein wenig mehr, und Lehr hatte das Gefühl, dass diese scharfen alten Augen ihn vollkommen durchschauten. »Ja«, sagte der alte Mann und schlug sich auf den Schenkel. »Du und diese Stute, ihr passt zusammen.«
Sie feilschten eine Weile, und Lehr wusste, dass der Preis, auf den sie sich schließlich einigten, erheblich niedriger war als das, was der Züchter von einem Adligen erhalten hätte, der nach einem Pferd für eine seiner weiblichen Verwandten suchte.
»Keine Sorge«, sagte Akavith. »Dein Bruder will nicht, dass ich ihn bezahle, und in diesen letzten Jahren ist er mit den Pferden ebenso gut umgegangen wie mein bester Stallbursche. Hast du einen Sattel und Zaumzeug, das für die Stute passen würde?«
»Nein.«
Akavith führte die Stute wieder in die Box und dann Lehr zu seiner Sattelkammer. Während er Zaumzeuge durchging, sagte er: »Ein Mann aus Redern kam heute vorbei. Er erzählte mir von Olbeck - dem Sohn des Verwalters, kennst du ihn?«
Lehr kannte Olbeck, aber Akavith sprach weiter, ohne auf eine Antwort zu warten »Er hat einen anderen Jungen umgebracht - einen Kaufmannssohn namens Lukeeth.«
Lukeeth war einer von Olbecks Speichelleckern gewesen, der Sohn eines Redernikaufmanns. Lehr hatte ihn nicht besonders gut gekannt und was er kannte, nicht gemocht, aber er hatte ihm bestimmt nicht den Tod gewünscht.
»Ich habe gehört, Storne, der Sohn des Müllers, habe gegen ihn ausgesagt. Wenn Olbecks Vater nicht der Verwalter des Sept wäre, hätte Lukeeths Vater seinen Kopf verlangt und ihn auch bekommen. Aber so ist es ihm nur gelungen, Olbeck aus Redern verbannen zu lassen. Ich nehme an, es wird den Verwalter nicht mehr als einen Monat kosten, damit auch dieses Urteil ausgesetzt wird.« Er spuckte auf den Stallboden. »Ich bin froh, dass ich nicht in der Stadt wohne. Wenn einer meiner Jungen einen anderen umbringen würde, dann würde ich mich selbst darum kümmern.«
»Wenn du zu besorgt bist, werde ich es übernehmen«, bot Hennea Seraph an, als diese sich nach dem Essen neben Tier auf den Boden an die Feuerstelle setzte.
Aber Seraph war der Ansicht, wenn sich schon jemand mit Tiers Weisung abgab, sollte sie das sein. Sie kniete sich neben ihren Mann und rutschte herum, bis sie so bequem saß, wie es auf dem Dielenboden möglich war.
Dann holte sie ein paarmal tief Luft und begrub ihre Angst und den Zorn sehr tief, damit sie ihre Magie beherrschen konnte. Gefühle machten Magie unzuverlässig und gefährlich.
»Es geht schon«, sagte sie zu Hennea.
Jes und Rinnie saßen ebenfalls auf dem Boden und lehnten sich gegen die Wand, an einer Stelle, wo sie Seraph nicht stören würden.
»Leg dich hin«, sagte sie zu Tier, der noch aufrecht saß. »Und entspann dich.«
Sie begann, ihn mithilfe ihrer Magie zu betrachten. Für gewöhnlich sah eine Weisung für sie aus wie eine Reihe transparenter Kleidungsstücke, die den ganzen Körper bedeckten, aber sie wusste, dass nicht alle Raben die Weisungen auf die gleiche Weise wahrnahmen. Ihr Lehrer Arvage hatte kleine Kronen aus verflochtenen Ranken gesehen, und jede Weisung hatte Blüten in unterschiedlichen Farben gehabt. Nur die Farben waren für jeden Raben die gleichen. Sie fragte sich, wie der Schaden an Tiers Weisung wohl für ihren alten Lehrer ausgesehen hätte.
»Was erblickst du, wenn du seine Weisung auf magische Weise betrachtest, Hennea?«, fragte
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