Rabenzauber
sie.
»Licht«, antwortete der andere Rabe. »Mit einigen dunklen Bereichen.«
Seraph berührte Tiers Brust leicht, und zwar an einer Stelle, wo ihre Magie ihr einen Riss in der Weisung zeigte. »Ich sehe einen Riss hier«, sagte sie zu Hennea.
Hennea nickte. »Das ist für mich einer der dunklen Flecke.«
»Behalte ihn im Auge«, bat Seraph. »Wenn du auch nur die geringste Veränderung wahrnimmst, sag mir Bescheid.«
Bis vor ein paar Monaten hätte Seraph nie gedacht, dass man eine Weisung überhaupt manipulieren könne. Als sie jung gewesen war, hatte sie es versucht, und wahrscheinlich war sie nicht die Einzige gewesen. Sie hatte herausfinden wollen, ob sie das Aussehen ihrer Weisung so verändern konnte, dass nicht alle Raben, die sie zufällig sahen, sofort wussten, was sie war.
Nichts hatte funktioniert. Ihre Magie war einfach von der Oberfläche der Weisung abgeglitten, ohne etwas auszurichten.
Magie arbeitet mit Mustern, dachte sie, mit Mustern und mit Symbolismus.
Seraph starrte Tiers Weisung an und zupfte an ihrer Magie, als spinne sie Garn am Spinnrad. Sie spürte, dass sie sich unter ihren Fingerspitzen weich und fein anfühlte wie das beste Kammgarn. Seraph sah die Weisung als Gewebe, also würde sie das Muster ihrer Magie danach ausrichten und sehen, ob es funktionierte.
»Tier«, sagte sie. »Sag mir, wenn du etwas spürst - aber besonders, wenn etwas wehtut.«
»Auf jeden Fall.« Sein ironischer Tonfall ließ sie lächeln, genau, wie er es vorgehabt hatte.
Sie berührte seine Weisung mit ihrem magischen Garn, aber ihre Finger sanken hindurch, bis sie seinen Hals streiften.
»Kalt«, sagte Tier.
»Sehr komisch«, murmelte sie und starrte seine unkooperative Weisung wütend an. Als sie die Finger wieder wegzog, fiel ihr magischer Blick auf das glitzernde Violett ihrer eigenen Weisung, und sie ließ sich davon inspirieren. Diesmal fasste sie das Ende ihres Garns nur ganz leicht, so leicht, dass sie es überhaupt nicht mit den Fingern berührte, sondern nur mit dem dünnen Schleier der Rabenweisung.
Sie legte diesen Faden auf Tier, und diesmal blieb er auf der Bardenweisung liegen, und ihr Wille - der Faden, den sie gesponnen hatte - begann, die Struktur und die grüngraue Farbe der Bardenweisung anzunehmen. Als sie leicht an dem Garn zupfte, fiel es wieder von Tier herunter. Es mischte sich nicht einfach mit Tiers Weisung, sie würde es selbst damit verflechten müssen. Sie legte das Garn zurück auf Tier, damit es alle Aspekte seiner Weisung in sich aufnehmen konnte, und dann kam ihr eine Idee, wie sie den Schaden vielleicht beheben konnte.
Sie hatte lange keine Socken oder Pullover mehr gestopft - nicht, seit sie Rinnie beigebracht hatte, wie man das tat. Flickarbeiten hatten nie zu den Lieblingsbeschäftigungen ihres Solsenti -Lebens gehört. Reisende flickten ihre Kleidung natürlich ebenfalls, aber die Zeit eines Raben war zu kostbar, um sie mit solch banalen Aufgaben zu verschwenden. Für Tier jedoch hätte sie auch ein Stück Stoff geflickt, das größer gewesen wäre als der gesamte Bauernhof.
Als all ihr Garn die Qualitäten von Tiers Weisung angenommen hatte, zog sie es wieder an sich. Aus Magie formte sie ein Stopfei, indem sie eine feste Oberfläche visualisierte, die genau richtig gerundet war, um die Spitze ihrer Nadel von Tiers Haut fernzuhalten.
Jetzt brauchte sie nur noch eine Stopfnadel.
Das Einzige, was sich auf Tiers Weisung auswirken konnte, war ihre eigene.
»Hennea«, sagte sie. »Würdest du bitte die Edelsteine mit den Weisungen herausholen und mir einen der Lerchensteine geben? Das Tigerauge, denke ich.« Das war der Ring, der manchmal in ihrer Hand wärmer geworden war, wenn sie und Hennea mit den Steinen arbeiteten.
»Du willst es mit den Steinen versuchen?« Hennea klang neutral - was deutlich auf ihre Missbilligung schließen ließ.
Seraph schüttelte den Kopf. »Ich werde sehen, ob ich die Weisung überreden kann, mir zu helfen.«
Sie hörte, wie Hennea aufstand, nahm sie aber nur am Rande wahr. Ihre Hauptaufmerksamkeit galt ihren Plänen. Wenn man Magie wirkte, gab es keinen Raum für Zweifel. Nur vollkommenes Selbstvertrauen würde ihre Magie wirklich tun lassen, was sie wollte.
Etwas Kleines und Warmes wurde ihr in die kalte Hand gedrückt - der Ring.
Sie hatte sich für die Lerche entschieden, weil Heilung dem, was sie tun wollte, am nächsten kam.
Seraph dachte intensiv über das Problem nach, dem sie gegenüberstand, und darüber, was sie
Weitere Kostenlose Bücher