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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Blut im Ratssaal vergießen. Es war Tradition, dass der Kaiser einem solchen Mann eine Schnittwunde an der Hand zufügte und das Blut fließen ließ. Danach wurde der Schuldige enthauptet, für gewöhnlich am selben Tag, in einem Innenhof
des Palastes, der für solche Dinge vorbehalten war. Aber es gab auch Ausnahmen von dieser Tradition.
    Phoran hob das alte Schwert mit beiden Händen hoch über den Kopf. Das Leder am Griff verhinderte, dass seine verschwitzten Handflächen rutschten, als er die Waffe herunterriss, eine Klinge, die eher zum Hacken als zum Zustoßen und Parieren gedacht war, und damit Jennes Hals durchtrennte.
    Das Ganze geschah so schnell, dass Jenne nach Phorans Meinung wahrscheinlich nicht einmal begriff, was vor sich ging.
    Jemand stieß einen Schrei aus - einen Schrei des Entsetzens, dachte Phoran, nicht der Betroffenheit. Als er wieder den Rat der Septs anschaute, sah er, dass sie ihm endlich ihre ganze Aufmerksamkeit zugewandt hatten.
    In der folgenden Stille ließ Phoran sie das dunkle Schwert mit den Blutflecken in Ruhe betrachten; sollte sich dieser Anblick doch in ihre Herzen einbrennen und das Bild des Schwächlings, für den sie ihn gehalten hatten, überlagern.
    Er achtete darauf, dass seine Miene ungerührt blieb. Es half ein wenig, dass Jenne nicht der erste Mann war, den er getötet hatte. Ganz gleich, wie sehr es sich danach anfühlte, erinnerte er sich angestrengt, das hier war kein Mord.
    Die Gardisten zogen die Überreste ihres ehemaligen Gefangenen zur Seite und deckten grobes, dunkles Sackleinen über die Leiche - für die Verurteilten gab es keine guten Stoffe mehr. Als der blutige Stein wieder leer war, nickte Phoran dem nächsten Paar zu.
    Nach den ersten drei Enthauptungen stellte er fest, dass es ihm jetzt leichter fiel, sich nicht zu übergeben. Er lernte, wie er das Schwert schwingen musste, damit das Gewicht der Waffe den größten Teil der Arbeit erledigte. Er musste nur ein einziges Mal zweimal zuschlagen, als der Sept von Siegelburg ein wenig zu heftig zappelte, dass seine Wachen ihn gut festhalten
konnten, und mit der Schulter in den Weg der herabsausenden Klinge geriet.
    Während Phoran wartete, dass eine Leiche weggezogen wurde, brachte Toarsen ihm ein sauberes, feuchtes Tuch und wischte Blut und Schweiß vom Gesicht des Kaisers, und auch das hatte Phoran zuvor sorgfältig geplant.
    Er wollte nicht, dass die Septs einen Wahnsinnigen sahen, der von all dem Blut den Verstand verloren hatte - sie sollten einen Kaiser sehen, der willens war zu töten, um sein Reich zu schützen, einen Mann, dessen Macht sie fürchten sollten.
    Endlich fiel auch der letzte Verurteilte.
    »Im Namen Phorans des Kaisers erkläre ich das Urteil für vollstreckt. Die Leichen sollen verbrannt und die Asche in alle Himmelsrichtungen verstreut werden. Keiner dieser Männer soll sich seinen Weg zu den Tischen der Götter ersingen. Ihre Namen sollen vergessen werden.«
    Phoran war sich nicht sicher, wer diese Worte gesagt hatte. Er hätte es eigentlich selbst tun sollen - so hatte er es vorher aufgeschrieben -, aber er war nicht mehr in der Lage zu sprechen. Er wischte das Schwert an der Kleidung des letzten Mannes ab, den er getötet hatte, dann gab er die schimmernde Klinge wieder in Toarsens Obhut.
    Er verließ den Raum ohne einen weiteren Seitenblick. Kissel, der Zweite Hauptmann der Kaisergarde, und Avar, der Sept von Leheigh, blieben als Ehrengarde dicht hinter ihm.
    Sobald Phoran im Flur war, beschleunigte er seinen Schritt so sehr, wie es möglich war, ohne die Illusion kaiserlicher Würde zu zerstören. Er war dankbar, dass keiner der Männer in seiner Nähe etwas sagte.
    Sobald er sich in seinen Privatgemächern befand, packte er den Rand des Beckens, das er genau für diese Situation bereitgestellt hatte, und übergab sich. Als er fertig war, wischte er sich mit einem Tuch das Gesicht ab, dann lehnte er sich gegen
die nächstbeste Säule und ließ die Stirn an dem kühlen Stein ruhen. Er wollte überall sein, nur nicht hier.
    Avar reichte ihm einen Becher Wasser.
    Phoran spülte sich den Mund aus und spuckte in das Becken.
    »Ihr hattet recht«, sagte Avar. »Ich habe mich geirrt. Kein Mann, der heute in diesem Saal war, wird je vergessen, was dort geschehen ist.«
    Phoran hätte es nur zu gern vergessen, aber Avar hatte wohl recht.
    Dann klopfte es kurz an der Tür.
    »Herein«, sagte Phoran, der das Klopfen erkannte.
    Der Sept von Gerant betrat den Raum, gefolgt von Avars Bruder

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