Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
sich ausruhen konnte. »Scheck kennt diese Felder. Er mag alt sein, aber er wird es schon schaffen, bis Tier zurückkehrt. Wir können uns nicht leisten, ein Pferd zu leihen, vor allem nicht, wenn der Sept noch mehr von der Ernte haben will.«
    Vor der Tür gab Gura ein Heulen von sich, das eher zu einem Wolf als einem Hund passte und von einem schrilleren, wilderen Laut beantwortet wurde.
    »Jes ist wieder da«, stellte Rinnie unnötig fest, denn schon wurde die Tür aufgerissen, und Seraphs Ältester kam herein.
    »Mutter, Mutter!«, rief er. »Ich habe einen Hasen zum Abendessen gefunden.« Er hielt ihr einen riesigen Hasen hin, bereits ausgenommen, geköpft und gehäutet.
    »Jesaphi, mein Lieber«, begrüßte ihn Seraph. »Ich bin sehr froh, dass du einen Hasen gefunden hast. Aber du musst noch ein bisschen Schlamm loswerden, bevor du weiter ins Haus kommst.«
    Von all ihren Kindern sah Jes seinem Vater am ähnlichsten. Er war einen Kopf größer als Lehr, schlank und dunkel. Auch Lehr war schlank, aber er hatte Seraphs helles Haar. Jes sah ebenso wie Tier nicht unbedingt besonders gut aus, dafür war seine Nase zu dünn und zu lang. Ein tiefes Grübchen zeigte sich an seiner linken Wange, und seine Augen waren von einem dunklen Samtbraun.
    »Tut mir leid, Mutter«, sagte er, und der Überschwang fiel von ihm ab wie ein Mantel. »Ich wollte nicht … nicht so schlammig werden.«
    Es war Jes’ Stimme, die ihn selbst den unaufmerksameren Zeitgenossen verriet. Etwas stimmte nicht an seiner Tonhöhe und seinem Singsangtonfall.
    Er war nicht einfältig wie der Sohn des Küfers, aber seine Art zu sprechen wirkte ganz ähnlich, und die Leute nahmen an, es sei dasselbe. Seraph hielt es für unsinnig, irgendwen außer Tier mit der Wahrheit zu verwirren.
    »Keine Sorge.« Seraph tröstete Jes mit einer ihrer leichten Berührungen, die für gewöhnlich alles waren, was er ertragen konnte. »Die anderen werden den Tisch decken, und du gehst dich waschen.«
    »Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte er besorgt.
    »Nein, mein Lieber. Komm mit.« Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn nach draußen, um ihm zu helfen, sich zu säubern.

    Seraph konnte nicht schlafen, also stand sie mitten in der Nacht aus ihrem viel zu leeren Bett unter dem Dach auf und zog sich an. Sie öffnete eine Truhe und holte eine große Tasche heraus, die schwer an ihren abgetragenen Griffen baumelte. Die Leitersprossen waren fest angebracht und verursachten kein Geräusch, das Lehr vielleicht geweckt hätte, der einen leichten Schlaf hatte.
    In ihrem Rucksack an der Tür befanden sich immer noch die Stiefel, die sie für Jes gekauft hatte. Sie hatte vergessen, sie ihm zu geben. Nun holte sie sie heraus und stellte sie an die Seite. Sie steckte die Tasche, die sie aus ihrem Zimmer mitgebracht hatte, in den Rucksack, wo die Schuhe gewesen waren, dann schlich sie leise nach draußen.
    Gura, der auf der Veranda lag, beobachtete sie mit funkelnden Augen, die vermuten ließen, dass er tatsächlich einen Wolf unter seinen Vorfahren gehabt hatte.
    »Still«, sagte sie. »Bleib hier und pass auf.«
    Gura gehorchte und legte den Kopf auf die Vorderpfoten, wobei sich sein Kinn leicht zur Seite bewegte.
    »Ich komme bald wieder«, erklärte sie, als verstünde das der Hund. »Ich kann einfach nicht schlafen. Es gibt Dinge, um die ich mich kümmern muss.«
    Gura schloss die Augen - sie wusste, dass er schmollte, weil sie ihn nicht mitnahm.
    Sie folgte einem Weg hinter dem Haus, der direkt in den Wald führte. Der Mond stand hoch am Himmel, und Seraph konnte nachts besser sehen als die meisten, also fiel es ihr nicht schwer, ihren Weg zu finden.
    Sie ging etwa eine Meile, bis sie ihr Ziel erreichte: eine kleine Waldwiese. Sie setzte den Rucksack ab und öffnete ihn.
    »Dreiundachtzig«, sagte sie leise und griff nach dem Lederbeutel, den sie in der Stadt bekommen hatte, sowie nach der Tasche aus ihrem Zimmer. »Und hunderteinundvierzig.«

    Dann nahm sie eine der Mermori aus der Tasche und steckte sie mit der Spitze nach unten in den Boden, sodass sie wie ein kleiner Pfahl aufragte. Sie holte eine zweite heraus, maß sie mit den Fingern und steckte sie ein Stück von der anderen entfernt ein. Das Gleiche tat sie mit der dritten und vierten, während der Mond sich weiter über den Himmel bewegte.
    »Was tust du da, Mutter?«
    Sie hatte sich so auf die Mermori konzentriert, dass sie ihn nicht gehört hatte. Die tiefe, samtige Stimme klang so sehr wie die von Tier,

Weitere Kostenlose Bücher