Rabenzauber
Mermori « - sie ging die Verbliebenen durch und hielt eine zerbrechlich aussehende Mermora hoch, die nicht länger war als ihr Zeigefinger - »wurden von dem Zauberer Hinnum geschaffen, und jeder Zauberer, der die Stadt verließ, erhielt eine. Sie wurden weitergegeben an den Ältesten jeder Familie, und es heißt, zu Anfang seien es fünfhundertvier gewesen. Bis der Schatten vor fünfhundert Jahren mächtiger wurde, hatte jeder Clan eine Mermora , aber als die Heere der Menschheit sich sammelten, um die Geschöpfe des Schattens zu bekämpfen, waren die Reisenden die erste Front der Kämpfenden,
denn der Pirschgänger, der immer noch in Colossae gefangen war, beherrschte den Schatten. Mehr als die Hälfte des Heeres fiel an diesem Tag, darunter auch die meisten mitkämpfenden Reisenden.«
»Das hast du mir nie zuvor gesagt - dass der Schatten von dem Ding bewirkt wurde, das die Zauberer in Colossae gefangen gesetzt hatten.«
Sie lächelte ein wenig finster. »Es ist nichts, worüber wir offen sprechen. Wenn die Leute wüssten, dass wir Reisende glauben, für den Schatten verantwortlich zu sein, würden sie uns garantiert dafür leiden lassen. Selbst einige der Clans behaupteten, dass es zwischen den beiden keine Verbindung gab - oder dass der Schatten der Pirschgänger selbst war und man uns von unseren Aufgaben befreien sollte.«
Sie steckte noch eine Mermora in den Boden. »Ich erinnere mich an eine Diskussion bei der letzten Versammlung, die ich besuchte. Einer der Clanväter schlug vor, wir sollten aufhören, nach dem Bösen zu suchen. Er sagte Dinge wie: ›Wir haben den Schatten vernichtet, haben die Aufgaben erfüllt, die die Alten uns gegeben haben. Wir sollten uns niederlassen, solange es noch gutes Land gibt, das niemand haben will.‹ Da stand mein Vater auf und erwiderte: ›Arroganz war schon immer der Fluch der Reisenden. Der Schatten war nicht der Pirschgänger, sondern ein Mensch, den er unter seinen Einfluss gebracht hatte. Mein Großvater kannte diese Geschichte von seinen Vorfahren. Als der Rabe, der sich dem Schatten stellte und ihn zu Asche machte, zu seinem Clan zurückkehrte, erzählte er ihnen, das Geschöpf, das er getötet habe, habe nie die Steine von Colossae berührt. Ja, wir kämpften an diesem Tag gegen das Böse, aber unsere Aufgabe bleibt weiterhin bestehen.‹«
Seraph lachte leise bei der Erinnerung. »Mein Vater konnte sehr dramatisch sein. Er wartete nicht auf die folgende Debatte, sondern ging einfach in sein Zelt und weigerte sich, noch
mehr dazu zu sagen. Mein Großvater behauptete immer, wenn du dich nicht streitest, kann sich auch nicht herausstellen, dass du unrecht hattest.«
»Dein Vater war also der einzige Grund, wieso die Reisenden weiterzogen?«
Seraph schüttelte den Kopf. »Nein, es hätte ohnehin nicht funktioniert, wenn sie sich wirklich niedergelassen hätten. Es war schwierig genug für mich, hierzubleiben - und ich wäre eurem Vater durch das Reich der Schatten gefolgt, wenn es hätte sein müssen. Zu bleiben war schwieriger. Man nennt uns nicht umsonst Reisende.«
Jes folgte ihr leise, als sie wieder mit ihrer Arbeit begann. Jes konnte gut schweigen.
»Ich erinnere mich, dass ich als Kind bei zwei Versammlungen war«, sagte sie und steckte eine weitere Mermora in den Boden. »Bei der ersten wurden von knapp über zweihundert Clans zweihundertdreißig Mermori ausgelegt. Ich weiß noch, wie meine Mutter nervös wurde, weil es nur so wenige waren. Sie starb vor meiner zweiten Versammlung, als ich dreizehn war. Dort gab es weniger als zweihundert - und viele Clans hatten mehr als eine.«
Die größte Mermora hatte sie sich bis zum Schluss aufgehoben und eine Ecke der Wiese dafür aufgespart. »Die Mermori waren zu gefährlich, um ohne sichernde Zauber zu existieren, also hat Hinnum ihnen einen Bann auferlegt, damit sie alle schließlich ihren Weg in die Hände des ältesten und nächsten Verwandten jener finden würden, die gestorben waren und die Mermori zurückgelassen hatten.«
»Mutter«, sagte Jes einen Augenblick später. »Hier sind zweihundertvierundzwanzig Mermori .«
»Ich weiß«, flüsterte sie. »Seit ich euren Vater geheiratet habe, habe ich immer wieder einige erwerben können. Heute habe ich einem Hausierer dreiundachtzig abgekauft.«
»Dreiundachtzig«, sagte er so erschrocken, dass er einen Augenblick seine Aura der Gefährlichkeit verlor. »Wie viel hast du dafür bezahlt? Sie sind aus Silber und gewiss mehr wert als …«
»Die
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