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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Leute erkennen nicht immer, dass sie aus Silber hergestellt wurden«, sagte sie und versuchte, den Bereich für die größte Mermora noch einmal abzumessen - sie hatte sich immer wieder ablenken lassen. »Manchmal sehen sie aus, als bestünden sie aus Eisen oder sogar aus Holz. Die meisten Leute können sie schon auf den ersten Blick nicht ausstehen. Ich habe sechs Kupfer für sie bezahlt; der Mann, der sie mir verkauft hat, wird schon bald vergessen, worum es ging, und nur noch wissen, dass er ein gutes Geschäft gemacht hat.«
    »Ah«, sagte Jes und ging eine Weile neben ihr her, wobei er nach und nach mit der Dunkelheit verschwamm, bis sie ihn selbst dann nicht mehr sehen konnte, wenn sie direkt hinsah.
    Manchmal konnte sie einen Blick auf ihn erhaschen, wenn sie nicht wirklich hinsah. Manchmal erblickte sie einen Mann, der aussah wie Tier, aber gefährlicher. Zu anderen Zeiten sah sie ein dunkles Tier, das auf vier Beinen ging. Wenn sie den Kopf drehte und ihn zu lange ansah, verschwand er in der Nacht. Sie wusste, dass das nur eine Illusion war, aber er konnte die Gestalt jedes beliebigen Tiers annehmen. Und Illusion oder nicht, es beunruhigte sie.
    »Wozu sind sie gut?«, fragte er schließlich.
    Sie steckte die letzte in den Boden. »Ich zeige es dir. Komm mit.«
    Die Wiese befand sich an einem Hang, und sie brachte ihren Sohn nun zum höchsten Punkt. Sie hatte das hier noch nie mit so vielen Mermori gemacht. Bei den Versammlungen standen die Ältesten aller Familien in einer Reihe und rezitierten gemeinsam.

    Sie streckte beide Hände aus und rief herrisch: »Ishavan shee davenadre hovena Hinnumadraun.«
    Es war lange her, dass sie sich so viel Magie gestattet hatte. Dieser Tage benutzte sie nur hin und wieder ein wenig, zum Beispiel, wenn sie die Felder bepflanzten und wenn sie Schutzzauber auf den Hof legte, um die gefährlicheren Geschöpfe der Berge fernzuhalten.
    Aber selbst nach so langer Zeit folgte die Magie ihrem Ruf, summte aus der Erde in ihre Knochen, vibrierte im Boden, in den verrottenden Blättern und Zweigen und neu sprießenden Grashalmen.
    Jes gab ein erschrockenes Fauchen von sich, als auf der Wiese die Fenster von zweihundertvierundzwanzig Häusern zu leuchten begannen. Einige waren kleiner als ihr Bauernhaus, aber die meisten so groß wie die größten Häuser von Redern. Zufällig hatte sie zwei so eingesteckt, dass sie ineinander übergingen und eine Wand teilten - das sah so richtig aus, dass Seraph sich fragte, ob die Häuser in Colossae tatsächlich so nahe beieinandergestanden hatten. In der Ecke der Wiese stand ein keines Schloss. Die Architektur der Häuser war dieser Region eindeutig fremd, die Fenster waren gerundet, die Dächer mit so etwas wie grünen Steingutschindeln gedeckt.
    »Schon gut«, beruhigte sie Jes, richtete den Blick dabei aber weiter auf das Schloss. »Es ist alles Illusion. Die Zauberer konnten nur die notwendigsten Dinge packen, weil sie den Feind nicht warnen wollten, bevor sie flohen. Sie konnten ihre Bücher nicht mitnehmen - also schuf Hinnum die Mermori , die an die Häuser der Zauberer erinnern, wie sie vor so langer Zeit in Colossae standen. Komm mit.«
    Sie führte ihren Sohn zu einem der kleineren Häuser, einem Backsteingebäude, nicht größer als Alinaths Bäckerei, wenn auch viel eleganter. Die Ebenholztür war nahe dem Riegel abgewetzt, was zeigte, wie alt das Gebäude war. »Das hier
war die Mermora , die mein Vater von seinem Vater erhielt. Sie gehörte Isolda der Schweigsamen, die starb, als die Stadt versiegelt wurde.« Seraph zog den Riegel zurück und spürte das kühle Metall an ihren Fingern. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Ächzen, und sie ging hinein.
    »Illusion?«, fragte Jes und folgte ihr. Das Licht von Isoldas Öllampen zeigte einen jungen Mann und kein Tier. »Ich kann Öl und Kräuter riechen - einige davon kenne ich, wie Anis und Bilsenkraut, aber es gibt auch viele, die ich nicht benennen kann.«
    »Hinnum war ein großer Illusionist. Die Legende besagt, er sei vierhundert Jahre alt gewesen, als die Stadt fiel«, erzählte sie und fuhr mit den Fingern über ein vertrautes Schultertuch, das über einer Stuhllehne hing, als warte es nur darauf, dass Isolda zurückkehrte.
    »Aber genau das ist alles hier - Illusion.« Sie sah ihren Sohn an. »Wenn es draußen regnet und du hereinkommst, wirst du den Regen nicht spüren - aber wenn du dann wieder herauskommst, bist du nass. Wenn du schrecklich frierst und hereinkommst, wird

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