Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Magie nicht von der auffälligen Art war, die die Leute kannten, wie bei Seraph. Seine Magie war von subtilerer Art.
    Er konnte einen zornigen Betrunkenen beruhigen oder einem verängstigten Mann mit seinen Liedern Mut machen. So etwas konnte Musik immer leisten, aber Tiers Lieder waren wirkungsvoller. Wenn er wollte, konnte er sich ein Lied oder einen Brief merken und sie noch Jahre später perfekt wiedergeben. Wenn er in der Schänke in Redern sang, schenkte er seinem letzten Lied beinahe immer einen besonderen Schwung, um die Zuhörer aufzuheitern.
    Seine Musik hätte er niemals aufgeben können.
    Es gab allerdings ein paar Dinge, die er mied. Einiges konnte den Zuhörern schaden. Allein in der Musik teilte er die dunkleren Gefühle mit seinem Publikum, niemals mithilfe von Magie. Er achtete sehr sorgfältig darauf, nie Magie zu nutzen, damit andere taten, was er wollte - Worte genügten. Und dann gab es noch Dinge, die allzu offensichtlich magischer Natur waren, als dass er sie in Redern hätte anwenden können.
    Allein im Dunkeln seiner Zelle gelang es ihm, ein paar kleine Lichter hervorzurufen, die seine Lieder begleiteten. Es waren flackernde, schwächliche Dinger, aber sie trösteten ihn.

    Geräusche waren schwieriger, obwohl er sie zuvor sogar einmal aus Versehen hervorgerufen hatte. Nach einer besonders unangenehmen Schlacht hatten er und ein paar andere Offiziere sich sinnlos betrunken, und jemand hatte ihm eine kleine Lyra, einen Teil der Beute, in die Hand gedrückt. Das Lied, das er gesungen hatte, hatte von schönen Mädchen und von Bauernvieh gehandelt. Tier war ziemlich sicher, als Einziger bemerkt zu haben, dass das Muhen und Quaken des Kehrreims von echten Tierlauten begleitet wurde.
    Er versuchte gerade, dieses Experiment zu wiederholen, als sein Besucher zum ersten Mal auftauchte.
    Die ständige Dunkelheit hatte seine anderen Sinne geschärft, und das Kratzen eines Fußes an den Dielen über ihm ließ ihn mitten im Wort innehalten. Er blieb schweigend sitzen und wartete auf mehr.
    Schließlich hörte er es wieder, unglaublich leise und kaum wahrzunehmen über dem Rauschen des Wassers, das unter dem Gitter in der hinteren Ecke seiner Zelle floss.
    Es war keine Ratte gewesen; eine Ratte war zu leicht, um eine feste Diele unter ihren Füßen knarren zu lassen. Tier war beinahe sicher, dass es eine Person gewesen sein musste.
    »Hallo«, sagte er. »Wer ist da?«
    Die Dielen gaben ein leises, überraschtes Quietschen von sich, dann war nichts mehr zu hören. Wer immer sich dort befunden hatte, war verschwunden.
    Einen schwer einzuschätzenden Zeitraum später hörte Tier es wieder, als er gerade Liegestützen machte. Er erstarrte, denn er befürchtete, den unbekannten Besucher zu vertreiben, wenn er sich bewegte. Als er nichts weiter hörte, wusste er, dass sein Besucher wieder verschwunden war. Aber er wollte unbedingt Gesellschaft, also begann er darüber nachzudenken, wie er ihn bei der nächsten Gelegenheit verlocken konnte zu bleiben.
Tier erwachte mit dem Wissen, dass jemand in der Nähe war. Er hatte nichts gehört, aber gespürt, dass sich jemand lauschend über ihn beugte. Er setzte sich hin, lehnte sich gegen die Wand und begann seine Geschichte mit den traditionellen Worten.
    »Es war einmal …«, sagte er.
    Wenn er so tat, als wären seine Augen geschlossen, konnte er sich vorstellen, zu Hause an der Wand zu lehnen und seinen unruhigen Kindern Geschichten zu erzählen, damit sie schneller einschliefen. Seraph machte dann für gewöhnlich sauber - sie war immer in Bewegung. Manchmal, erinnerte er sich, bekam sie schlechte Laune, weil Rinnie und die Jungen so ruhelos waren. Ihre Miene blieb gelassen, aber man sah ihren angespannten Schultern an, wie sie sich wirklich fühlte.
    Ob sie wohl weiß, dass mir etwas zugestoßen ist? Sucht sie nach mir?
    Das war inzwischen ein vertrauter Gedanke, und er tröstete ihn ein wenig.
    »Es war einmal ein Junge, der schon mit sechzehn König wurde«, sagte Tier, »denn sein Vater war in einer Schlacht gefallen. Damals gab es oft Kriege, und das Königreich, das der Junge erbte, war weder groß noch mächtig genug, dass ein König sich zurücklehnen und das Kämpfen seinen Generalen überlassen konnte.«
    Die Geschichte des Schattens war eine, die er so gut kannte, dass er sie sogar einmal rückwärts erzählt hatte, Wort für Wort, bei einer halb betrunkenen Wette. Er hatte einen Satz ausgelassen, aber seinen Kameraden war das nicht

Weitere Kostenlose Bücher