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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schoß spitz.
    Er öffnete den Mund zu einer grausamen Bemerkung, wie er sie seit ein paar Jahren beinahe automatisch von sich gab, aber stattdessen seufzte er nur noch einmal. Sie war es nicht wert - dumm wie ein Schaf und den Feinheiten der Sprache gegenüber ohnehin unzugänglich.
    Stattdessen schob er sie mit einem Tätscheln weg. »Such dir heute Nacht einen anderen zum Schmusen, mein Schatz. Dieses Bier hier ist mir im Augenblick lieber als eine Frau.«
    Jemand kicherte, als hätte er etwas Geistreiches gesagt. Die Frau, die auf seinem Schoß gesessen hatte, schwenkte die Hüften und ging taumelnd zum Schoß eines gut aussehenden jungen Mannes, der auf dem Fußende des Betts gesessen und das Geschehen mit einem neidischen Auge beobachtet hatte - Toarsen, Avars jüngerer Bruder. Wahrscheinlich hatte Avar ihm befohlen, über Phoran zu wachen, während er selbst draußen im Land war und sich sein neues Erbe ansah.
    Phoran schluckte den größeren Teil des Becherinhalts hinunter und schloss die Augen dann wieder. Diesmal ließ er sie geschlossen. Wenn er so tat, als wäre er betrunken eingeschlafen (was oft genug vorkam), würden sie vielleicht gehen.
    Er ließ die Hand von den Lippen fallen, und der Krug landete auf dem dicken Teppich, den sein Urgroßvater für sehr viel Geld hatte importieren lassen. Er hoffte, dass das dunkle Bier den Teppich ruinierte. Dann würde die kaiserliche Haushälterin
Avar an die Kehle gehen, sobald er zurückkehrte. Avar würde ernst zuhören, und wenn die Haushälterin weg war, würde er lachen und Phoran einen Schlag auf den Rücken versetzen - und ihm endlich wieder genügend Aufmerksamkeit schenken.
    Avar, Mentor, Phorans bester Freund und seit dem Tod seines geizigen alten Vaters Sept von Leheigh, hatte in den letzten Monaten nicht viel Zeit für seinen Kaiser gehabt. Phoran fragte sich boshaft, ob er Avar das Land und den Titel vielleicht abnehmen sollte, wenn sie ihn davon abhielten zu bemerken, dass der Kaiser einen Freund dringender brauchte als einen weiteren Sept.
    Phoran spürte Tränen des Selbstmitleids aufsteigen, aber er unterdrückte sie entschlossen. Er weinte nur, wenn er allein war, niemals, niemals vor dem Hof, ganz gleich, wie betrunken er sein mochte.
    Davon einmal abgesehen, hatte Phoran wirklich nicht vor, Avar sein Erbe abzunehmen. Er wusste sogar, dass sein Freund sich um seine Pflichten kümmern musste - er wünschte sich nur, er hätte ebenfalls Pflichten. Diese endlosen Gelage waren einfach … widerlich geworden, wie wenn man zu viel Apfelmet trank. Wann würde er endlich alt genug sein, um die Regierung seines Reichs selbst in die Hand zu nehmen?
    Jemand tätschelte seine Wange, und er schlug nach der Hand, allerdings bewusst ungeschickter als nötig. Er konnte erheblich mehr trinken als an diesem Abend, bevor es ihm viel ausmachte.
    »Er ist hinüber.« Phoran erkannte die Stimme. Es war Toarsen. Er hatte die Kuh offenbar ebenfalls weggeschickt. »Räumen wir das Zimmer.«
    Der Kaiser lauschte, während die Leute davonschlurften. Schließlich kamen Wachen herein, um ein paar Männer einzusammeln, die ebenfalls umgefallen waren. Die Tür schloss
sich hinter ihnen, dann war er allein. Ohne Menschen in der Nähe, ohne Avar, der es in Schach hielt, würde das Memento wieder zu ihm kommen.
    Bevor er sich aufsetzen und sie zurückrufen konnte, sagte jemand etwas. Es erschreckte ihn so, dass er die Stimme einen Moment nicht erkannte.
    »Schöner Kaiser!«, höhnte eine Stimme dicht an seinem Ohr. Nicht sein Memento, sondern jemand, der geblieben war, nachdem die Wachen gegangen waren - Kissel, der jüngere Sohn des Sept von Siegelburg. Phoran war so erleichtert, dass er beinahe nicht verstanden hätte, was Kissel sagte. »Ein bartloser Junge, der sich jeden Abend in den Schlaf säuft.«
    »Man muss es Avar lassen«, erklärte Toarsen. »Ich dachte, es wäre schwieriger, den Jungen zu zähmen, und wir hätten ihn töten müssen wie den Regenten. Aber er hat ihn einfach in einen Säufer verwandelt, der tut, was immer Avar will.«
    »Ich möchte trotzdem lieber nicht zum Säuberungskomitee gehören. Er ist fett geworden wie ein Kapaun. Hilf mir, ihn ins Bett zu heben.«
    Das gelang ihnen unter Grunzen und Fluchen, obwohl Phoran sich darauf konzentrierte, so schwer wie möglich zu sein. Wie konnten sie es wagen, so über ihn zu reden? Er würde es diesen Idioten schon zeigen. Morgen würden seine Wachen ihm die Köpfe dieser beiden bringen. Er war der Kaiser -

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