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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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abzuschließen und den Riegel vorzulegen.

    Als sie weg war, zog er die Beine aufs Bett, Stiefel und alles, und lehnte sich gegen die Wand.
    Was immer der Pfad einmal hatte sein sollen, er bezweifelte, dass derzeit sein einziger Sinn darin bestand, die jüngeren Adligen zu beschäftigen. Telleridge kam ihm nicht so vor, als interessiere er sich für einen anderen als sich selbst - und ganz bestimmt nicht für den Bestand des Kaiserreichs.
    Als er an Telleridge dachte, erinnerte sich Tier wieder, was der Zauberer ihm angetan hatte. Seine Magie war tatsächlich verschwunden - nicht, dass sie ihm in einer solchen Situation viel nützen würde. Allein und ohne Zeugen saß Tier auf dem Bett, schlug die Hände vors Gesicht und sah noch einmal vor sich, wie Telleridges Hand seinen Arm berührte.
    Zauberer sollten eigentlich nicht imstande sein, solche Zauber zu bewirken. Sie mussten Tränke bereiten und Symbole zeichnen - er hatte das alles schon gesehen. Nur Raben konnten einen Bann mit Worten wirken.
    Und Telleridge hatte die Sprache der Reisenden gebraucht.
    Tier richtete sich auf und starrte eines der glühenden Kohlebecken an, ohne es wirklich zu sehen. Dieser Ring. Er hatte diesen Ring schon einmal gesehen, an dem Abend, als er Seraph kennengelernt hatte.
    Es mochte zwanzig Jahre her sein, aber er war sicher, dass er sich nicht irrte. Er hatte ein gutes Gedächtnis, und der Ring, den Telleridge trug, hatte die gleiche Kerbe an der Fassung wie der Ring dieses … wie war sein Name gewesen? Wresen. Wresen war ebenfalls ein Zauberer gewesen. Ein Zauberer, der Seraph verfolgte.
    Wie konnte Telleridge wissen, dass Tier Barde war? Tier war davon ausgegangen, dass sein unbekannter Besucher es dem Zauberer erzählt hatte - oder vielleicht war dieser Besucher sogar der Zauberer selbst gewesen. Aber nun klang es, als wäre Tiers Bardentum der Grund für die Entführung. Niemand
außer Seraph wusste, was er war - obwohl sie ihm auch gesagt hatte, dass jeder Rabe ihn als Barden erkennen würde.
    Sie hatten ihn beobachtet. Myrceria hatte gewusst, dass er Bäcker und Soldat gewesen war. Hatten sie ihn und Seraph zwanzig Jahre lang beobachtet? Beobachteten sie Seraph immer noch?
    Er sprang auf und begann, auf und ab zu gehen. Er musste nach Hause. Als er sich nach einer Stunde fruchtlosen Nachdenkens immer noch in der abgeschlossenen Zelle befand, ließ er sich wieder auf dem Bett nieder und griff zerstreut nach der Laute. Er konnte nichts weiter tun, als für jede Gelegenheit zur Flucht bereit zu sein und sie zu ergreifen, wann immer sie sich bot.
    Er bemerkte mit ironischem Grinsen, welche Melodie er begonnen hatte zu spielen. Beinahe trotzig zupfte er nun den Kehrreim mit geschickter Präzision.
    Ein Jahr und ein Tag,
Ein Jahr und ein Tag,
Und der Bettler wird König sein,
Für ein Jahr und einen Tag.
    In dem Lied kamen verzweifelte Priester zu dem Schluss, dass ein Opfer gebracht werden müsse, um eine schon zehn Jahre andauernde Trockenzeit zu beenden - und es musste die wichtigste Person im Land geopfert werden: der König. Der König weigerte sich, aber er schlug den Priestern vor, einen Bettler von der Straße zu holen. Der König würde sich ein Jahr lang aus dem Amt zurückziehen und den Bettler König sein lassen. Die Priester wandten ein, ein Jahr sei nicht lang genug - also wurde der Bettler König für ein Jahr und einen Tag. Die Trockenheit endete mit dem willigen Opfer des jungen Mannes, der sich damit als würdiger erwies als der echte König.

    Und Tier würde als Reisendenkönig des Geheimen Pfads am Ende seiner Herrschaft ebenfalls sterben.
    Er dachte an eine der Bindungen, die Telleridge ihm auferlegt hatte. Die jungen Männer, die Sperlinge, wussten offenbar nicht, dass er sterben würde - sonst hätte der Zauberer ihm wohl kaum verboten, darüber zu sprechen.
    Zweifellos würde sein Tod einem wichtigeren Zweck dienen als der Nachahmung eines alten Lieds. Würde er die Götter zufriedenstellen, wie das Opfer des Bettlerkönigs in der Geschichte? Aber warum verbargen sie es dann vor den jungen Männern? Was wollte ein Zauberer mit seinem Tod anfangen?
    Magie und Tod - er erinnerte sich, dass Seraph einmal darüber gesprochen hatte -, Magie und Tod waren eine sehr mächtige Kombination. Je besser der Magier das Opfer kannte, desto stärker war die Magie, die er wirken konnte. Die Hauskatze des Magiers funktionierte besser als ein streunendes Tier. Ein Freund besser als ein Feind … ein Freund für ein Jahr

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