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Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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zusammen essen gingen, und deshalb hat sie mich gebeten, Sie anzurufen. Bis auf Ihren Namen weiß ich so gut wie nichts von Ihnen.«
    Etwas an der Art, wie sie ihre Worte setzte, ließ mich zögern. Fast hatte ich das Gefühl, bereits früher mit ihr gesprochen zu haben. Vielleicht hatte Cynthia ja recht, und Brenda konnte mir auf irgendeine Weise helfen. Vielleicht würde ich Johnny Fry nicht umbringen müssen, wenn ich mit Brenda sprach…
    »Wann?«, fragte ich.
    »Ich bin nur ein paar Tage in der Stadt«, sagte sie. »Heute Abend um zehn würde mir gut passen.«
    »Wo?«
    »In Michael Jordan’s Steak House.«
    »Im Grand Central?«
    »Bis dann«, sagte sie und hängte auf.
    Ich legte das Telefon weg und glitt zurück in meinen tranceartigen Zustand angenehmer Losgelöstheit. Brendas Anruf entschwand wie ein Traum, wurde zu einer vagen Erinnerung. Ich brauchte Cynthias Hilfe nicht. Ich musste nur Johnny Fry töten. Nicht, weil ich dann Jo zurückbekommen würde. Jo war für mich verloren. Ich war so etwas wie ein Haustier für sie, nach Johnny Fry hingegen verzehrte sie sich.
    Nein. Ich würde Johnny Fry töten, weil er ein Parasit war, der sich unter meiner Haut eingenistet hatte. Er musste herausgeschnitten und zerquetscht werden. Er war wie eine fette weiße Made voll mit stinkendem eitergelbem Blut, die glaubte, von meinem Tisch leben zu können.
    Meine Hände waren so taub wie meine Lippen und Zehen. Mein Atem ging langsam, und ich saß da… und wartete.
    Als die Ziffern der Digitaluhr auf 16.09 Uhr sprangen, stand ich auf und ging aus dem Haus. Auf tauben Füßen lief ich zum U-Bahnhof.
    In der U-Bahn setzte ich mich neben eine junge schwarze Frau, die Verbformen in ein französisches Arbeitsbuch eintrug.
    Als sie einen Fehler machte, unterbrach ich sie und sagte ihr die richtige Form. Sie bedankte sich und machte weiter, ließ das Buch dann aber sinken.
    »Sind Sie Tourist?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte ich. »Ich bin Amerikaner, aus San Francisco, lebe aber schon seit mehr als zwanzig Jahren in Manhattan.«
    »Oh«, sagte sie und nickte fast schon herablassend. Sie war kleiner als Jo und bei weitem nicht so schlank. Ihre Lippen waren groß und schön geformt, und wenn man ganz genau hinsah, konnte man links und rechts auf ihrer Nase einige wunderhübsche Sommersprossen erkennen.
    »Ich dachte, Sie kämen vielleicht aus einem französischsprachigen Land.«
    »Ich habe Sprachen studiert«, erklärte ich ihr. »In Berkeley.«
    »Wow. Ich lerne Französisch am City College in Harlem. Ich würde gern ins Ausland gehen.« Sie seufzte und sah hinaus ins vorbeifliegende Dunkel.
    »Warum?«, fragte ich.
    »Um einen guten schwarzen Mann zu finden.«
    »Gibt es denn hier keine guten schwarzen Männer?«
    »Hm«, sagte sie und zog die Oberlippe angewidert hoch. »Die Männer hier sind Hunde. Sie dealen und fixen und wollen, dass ich sie durchfüttere und ihnen die Miete bezahle.«
    »Alle Männer sind Hunde«, sagte ich, »die Franzosen eingeschlossen. Genau wie Afrikaner, Jamaikaner und Pygmäen, egal was für eine Sprache sie sprechen.«
    Die junge Frau grinste, und der Zug verlangsamte seine Fahrt. Ich hatte Angst, dass sie aussteigen würde. Ihr Lächeln ließ mich wünschen, sie bliebe noch etwas.
    »Steigen Sie aus?«, fragte ich.
    Offenbar wollte sie etwas sagen, tat es aber nicht. »Nein. Und Sie?«
    »Ich auch nicht.«
    Sie lächelte, während sich die Leute an uns vorbeischoben. Der Waggon war sehr voll, und wir wurden auf der hellblauen Plastikbank aneinandergedrückt.
    »Französisch zu lernen wird mir also nicht helfen?«, fragte sie. Die Türklingeln rasselten und die Türen bockten, weil die Leute sie noch aufhielten, um ein- und auszusteigen.
    »Schaden wird es Ihnen sicher nicht«, sagte ich. »Manchmal ist es allerdings besser, etwas nicht zu wissen.«
    »Ich will aber so viel wie möglich wissen«, sagte sie und sah mir in die Augen.
    Ihre lila-grüne Bluse öffnete sich ein wenig und schenkte mir einen Blick in ihren Ausschnitt. Ich versuchte, nicht zu auffällig hinzusehen.
    »Wir behaupten immer, dass wir alles wissen wollen«, antwortete ich. »Aber dann eröffnet Ihnen Ihre Mutter eines Tages, dass sie Ihren Bruder mehr liebt als Sie, oder Ihre Frau, dass sie lieber in einem Bett voller Scherben als mit Ihnen schlafen würde. Der Arzt, die Bank… Wirklich wissen wollen wir nur die Dinge, die uns glücklich machen oder mit uns persönlich nichts zu tun haben.«
    »Das klingt aber traurig«,

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