Rache@
Wirklich.â Sie zeigte ein schiefes Grinsen, lieà das Tuch wieder in ihrer Tasche verschwinden, schob ihr Kinn vor und sagte mit fester Stimme: âSchluss jetzt mit diesem dummen Geheule. Findest du mich jetzt total doof?â
Ben schüttelte den Kopf und erwiderte: âNein, ganz bestimmt nicht.â Und das meinte er ganz ehrlich. SchlieÃlich konnte er sie gut verstehen. Ihm ging es ja nicht anders. Ständig verirrten sich seine Gedanken zurück in die Werkhalle. Zu Marcel und Justus Brandt. Und dass er sich so hilflos, klein und mies wie noch niemals zuvor in seinem Leben gefühlt hatte. Er musste sich zusammenreiÃen und aufhören, sich unentwegt und wie besessen mit dieser Szene zu beschäftigen. Und vor allen Dingen musste er endlich damit aufhören, sich selbst die Schuld zu geben an dem, was geschehen war. Das hatte Justus Brandt bei seinem letzten Besuch auch zu ihm gesagt. âSchau nach vorne, Ben. Versuche loszulassen und mach dich dran, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen. Es bringt nichts, wenn du dich immer wieder fragst, was gewesen wäre, wenn du dies oder das anders gemacht hättest. Das ist völliger Unsinn. Was passiert ist, ist nun mal passiert und nicht mehr rückgängig zu machen. Aber du kannst für die Zukunft daraus etwas lernen. Genauso wie Marcel.â Ben hatte schwer schlucken müssen, denn an Justus Brandts Worten war etwas dran gewesen.
Nur was, das wurde ihm erst jetzt in diesem Moment bewusst, in dem er Susanna dabei beobachtete, wie sie angestrengt versuchte, möglichst unbeschwert rüberzukommen. Und nun war er auch in der Lage, es offen auszusprechen.
âIch glaube, das gröÃte Problem, was wir Menschen im Umgang miteinander haben, ist, dass wir uns von den anderen unverstanden fühlen.â
Susanna hob erstaunt die Augenbrauen. âWie meinst du das?â
Ben räusperte sich und fuhr fort: âNa ja, denk doch nur mal an Marcel. Der hat zum Schluss nur noch aus Hass und Wut bestanden, weil er sich von der ganzen Welt verarscht gefühlt hat.â Ben hielt inne. Legte seine Hand kurz auf den Verband an seinem Hals.
âEntschuldigeâ, murmelte er so leise, dass Susanna sich mit ihrem ganzen Oberkörper zu ihm rüberbeugen musste, um zu verstehen, was er sagte.
âDas laute Sprechen fällt mir wirklich noch schwerâ, erklärte Ben.
Susanna hob die Achseln. âDas ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass dir vor ein paar Tagen âne Kugel durch den Hals geschossen wurde.â Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund und riss die Augen weit auf. âMistâ, zischte sie durch ihre Finger hindurch. âDas wollte ich gar nicht sagen.â
âWarum?â Ben lächelte sie an. âEs stimmt doch.â
Susanna lachte, aber dieses Lachen klang in Bens Ohren unsicher und hohl.
âIch bilde mir ein, dass ich es ungeschehen machen könnte, wenn ich es nicht offen aussprecheâ, sagte Susanna.
âJaâ, stimmte Ben zu. âSo gehtâs mir auch. Aber es ist nicht richtig. Denk doch nur an Marcelâ, wiederholte er sich. âWenn der irgendwann mal offen und ehrlich über seine Gefühle und seinen Kummer gesprochen hätte, statt alles nur in sich hineinzufressen, dann wäre es doch erst gar nicht so weit gekommen. Marcel kannte doch zum Schluss nur noch eins: Rache! Jeder, der ihm irgendwie quergekommen ist, an dem wollte er sich rächen. Ganz egal um welchen Preis.â Ben lieà sich auf sein Kissen zurücksinken und holte tief Luft.
âAlles okay?â, fragte Susanna besorgt.
Ben nickte. âBrauch nur âne kurze Pauseâ, krächzte er.
Plötzlich hellte sich Susannas Gesicht auf. âDu hast dich eben schon fast so wie Justus Brandt angehört. Der wäre ziemlich stolz auf dichâ, witzelte sie und zwinkerte Ben zu.
âDoch was gelernt in der AGâ, erwiderte er jetzt ebenfalls grinsend.
Doch dann verschwand das Grinsen aus Susannas Gesicht wieder, als sie mit belegter Stimme sagte: âHast du eigentlich was von Marcel gehört?â
Ben schüttelte den Kopf. âNein, aber von seiner Mutter. Sie war hier und hat mir erzählt, dass Marcel in irgendeiner Therapie-Einrichtung für Jugendliche ist. Da wird er wohl âne ganze Weile bleiben. Na ja, das hätten sie besser gleich nach dem Tod seines Vaters machen sollen. Aber Marcel hat sich
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