'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
genau vor sich, konnte ihn kaum noch erwarten.
Das wird ein unendlicher Spaß werden. Ein wahres Fest der Genugtuung.
Der Stadtteil Weende befand sich im Norden Göttingens und umfasste zehn Quadratkilometer. Da der Mörder seit seiner Kindheit in Göttingen lebte, kannte er die gesamte Stadt wie seine Westentasche. Er wusste genau, auf welchem Weg er schnellstmöglich zu seinem Ziel gelangen konnte.
Dieses Wissen stellt einen wichtigen Baustein in meinem Mordplan dar. Denn Zeit ist Geld. Und ich bin nicht sehr reich.
Da es an diesem kalten Freitagabend bereits kurz vor 19 Uhr war, wurde der Mörder auf seinem Weg nicht von stockendem Verkehr aufgehalten. Die meisten Einwohner der Stadt saßen schon friedlich bei sich zuhause, nippten an einem Tee und genossen die Wärme ihrer Heizungen oder Kamine.
Wenngleich dem Mörder keine derartige Wärmequelle vergönnt war, fühlte er sich aufgrund seiner Aufregung ebenfalls zur Genüge erwärmt. Er musste sogar zugeben, dass er nervös war. Er musste zugeben, dass er unsicher war, musste zugeben, dass er Angst hatte. Doch während viele Menschen diese Empfindungen als Schwächen ansahen, bewertete der Mörder sie als ‚dankbare Helfer’. Schließlich sorgten sie dafür, dass er niemals kopflos agierte. Er wog das Risiko seiner Handlungen stets ab und schlug erst dann zu, wenn er sich absolut sicher war, ungeschoren davonzukommen. Kritisch wurde es immer nur dann, wenn die Angst überhand nahm. Dann lief er Gefahr, den Mut zu verlieren und einen Rückzieher zu machen.
Doch das wird heute nicht passieren. Ganz sicher nicht. Denn mein Plan ist perfekt. Er ist absolut narrensicher.
Nachdem der Mörder seine Geschwindigkeit verringert hatte, bog er in die Otto-Lauffer-Straße ein, fuhr diese knapp zwanzig Meter gen Norden und hielt schließlich in einer freien Parkbucht auf der rechten Straßenseite. Mit dem ersten Blick auf das graue Kastengebäude zu seiner Linken schlug sein Herz doppelt so schnell wie zuvor. Er spürte genau, dass seine Zeit nun gekommen war.
Jetzt werde ich meinen ersten Mord begehen. Jetzt werde ich einen Menschen töten. Es gibt kein Zurück mehr. Ich habe mich so entschieden.
Der Mörder schaltete den Motor aus und stieg voller Vorfreude aus seinem Wagen. Dabei erfasste ihn ein eiskalter Windstoß, der seine Winterjacke aufblähte und ihn erschaudern ließ. Weil er folglich keine Zeit in dieser Kälte vertrödeln wollte, sah er sich schnell in alle Richtungen um und lächelte dann verschmitzt. Auf der Straße fuhr kein einziges Auto, die Bürgersteige waren wie leergefegt und an allen Wohnhäusern waren sämtliche Rollladen heruntergelassen.
Perfekt. Es gibt keinen einzigen Zeugen. Aber wen wundert das schon? Wer würde seine Zeit bei diesen Temperaturen schon gerne draußen verbringen? Es ist der ideale Moment, um zuzuschlagen. Nicht zu früh und nicht zu spät. Genau richtig. Eben narrensicher.
Der Mörder machte sich auf den Weg. Er huschte über die Straße und begab sich zum Eingang des grauen Kastengebäudes. Dieses bestand aus fünf Stockwerken und wies vierzig Wohnungen unter seinem Flachdach auf.
Als der Mörder die gläserne Eingangstür des Gebäudes erreichte, stellte er auf Anhieb fest, dass diese verschlossen war.
Wäre auch zu leicht gewesen , dachte er mit einem schelmischen Grinsen. Denn selbstverständlich hatte er damit gerechnet, nicht mit offenen Armen empfangen zu werden. Folglich hatte er sich eine andere Eintrittskarte zu dem Gebäude bereitgelegt. Und diese war ebenso einfach wie genial.
Mit raschen Blicken überflog der Mörder das Klingelbrett des Gebäudes. Nachdem er den gesuchten Namen gefunden hatte, klingelte er Sturm.
Wie erwartet öffnete sich keine zehn Sekunden später die erste Tür auf der linken Seite des Flurs. Durch die Eingangstür konnte der Mörder sehen, dass eine attraktive Mittvierzigerin auf den Flur hinaustrat, das Flurlicht anknipste und wütend kontrollierte, wer dort draußen in der Kälte stand und soeben bei ihr geschellt hatte.
Während die Frau ihre Stirn in Falten legte, tastete der Mörder mit der rechten Hand zu seinem Gürtel. Er wollte sichergehen, dass er sein ‚Geschenk’ für die Dame nicht vergessen hatte.
Zu seiner Beruhigung spürte er sogleich den Griff des Messers, das ihm ein Gefühl von Macht vermittelte. Er allein hielt fortan ein Menschenleben in der Hand. Er allein entschied über Leben und Tod.
Und ich habe mein Urteil bereits gefällt.
Als die Frau nach
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