'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
sein.
Nachdem der berühmte Song nach einiger Zeit wieder verstummt war, schäumte Tommy sich seine dunkelbraunen Haare ein und dachte an den derzeitigen Trubel in seiner Stammkneipe, dem Blue Note . Normalerweise säße er um diese Zeit bereits dort an der Bar, um eine interessierte Singlefrau abzuschleppen. Sicherlich hätte er in dieser Beziehung wie so oft auch heute Erfolg gehabt, doch aufgrund des anstrengenden Tages im Büro war er weder in der Stimmung noch in der Lage, auf ‚Beutefang’ zu gehen.
Heute brauche ich eine ausgiebige Regeneration. M orgen ist schließlich auch noch ein Tag , dachte er, wobei er siegessicher nickte und wieder zu trällern begann: „Love me, tender, love me sweet, never let me go!“
Zehn Minuten später drehte er das Wasser wieder ab, trat auf ein Handtuch vor die Dusche und schnappte sich sein Badetuch. Mit diesem trocknete er sich schnell ab, bevor er nach seinen Boxershorts griff. Anschließend wollte er sich schon den Bademantel überstreifen, als er plötzlich innehielt.
Was war das? Klang das nicht gerade wie ein Schrei?
Von der einen auf die andere Sekunde bewegte Thomas sich keinen Zentimeter mehr von der Stelle. Er hielt die Luft an und lauschte gespannt.
Aber woher kam dieser Schrei? Und von wem?
Tommy lauschte noch intensiver. Nun vernahm er jedoch kein auffälliges Geräusch mehr. Es ertönte nichts. Gar nichts.
Habe ich mich etwa verhört? Spielt mein Gehirn mir einen hinterlistigen Streich? Oder bin ich möglicherweise völlig überarbeitet?
Im Nachhinein wäre ihm eine dieser Varianten bei Weitem lieber gewesen als die Wahrheit. Denn kaum hatte er durch die Nase ausgeatmet, da vernahm er ganz deutlich einen zweiten, äußerst erbärmlichen Schrei. Dieser entsprang einer Frauenkehle. Und er erstarb erst nach drei endlos langen Sekunden.
Tommys Herz machte einen Satz. Zwar war der Schrei nicht aus seiner eigenen Wohnung ertönt, doch wusste er nun genau, wer soeben geschrien hatte. Daher verlor er keine Zeit. Er schwang sich seinen Bademantel um und rannte barfuss hinüber ins Schlafzimmer. Sein Atem beschleunigte sich merklich, während er sich seine Dienstwaffe aus einer Schreibtischschublade schnappte und mit großen Schritten zur Wohnungstür hechtete. Auf dem Weg dorthin griff er nach seinem Wohnungsschlüssel, den er in seine Bademanteltasche gleiten ließ. Dann öffnete er die Tür und lugte auf den dreißig Meter langen Flur hinaus. Seine Wohnung befand sich im Erdgeschoss eines grauen, fünfstöckigen Kastengebäudes in Weende .
Thomas’ Unterkunft war die zweite auf der linken Seite. Die Eckwohnung neben ihm bewohnte eine 44-jährige Frau namens Greta Baum, mit der Tommy nur sehr wenig Kontakt pflegte. Links neben ihm wohnte das junge Ehepaar Hoffmann, das fast jeden Abend ausging und demzufolge derzeit nicht zuhause war. Die Wohnung, die Gretas Bleibe gegenüber lag, stand bereits seit einigen Wochen leer.
Tommy kontrollierte den Flur noch immer mit wachsamen Blicken. Da niemand aus den hinteren Wohnungen stürmte, nahm er an, dass die Schreie entweder nicht bis dort vorgedrungen waren, oder dass auch dort momentan niemand zuhause war. Deshalb huschte er jetzt hinaus auf den Flur und zog seine Wohnungstür hinter sich zu.
Nur mit seinem Bademantel bekleidet lief er auf Gretas Wohnung zu, wobei er ihre Tür keine Sekunde lang aus den Augen ließ. Unterwegs überkam ihn ein überaus mulmiges Gefühl. Die umfassende Stille, die derzeit in dem gesamten Gebäude herrschte, wirkte auf ihn mehr als surreal. Schließlich stand sie im Gegensatz zu dem lauten, jämmerlichen Schrei von vorhin.
Thomas tastete sich so lange an der Wand voran, bis er direkt vor Gretas Wohnung stand und mit der linken Hand gegen die Holztür hämmerte. Mit der rechten umspannte er zeitgleich seine Waffe.
„Frau Baum?! Hören Sie mich? Ich bin es, Thomas! Von nebenan! Ist bei Ihnen alles in Ordnung?!“
Vergebens wartete er auf eine Antwort. Greta gab keinen Ton von sich. Deshalb pochte er erneut an die Tür und erkundigte sich noch lauter als zuvor: „Frau Baum?! Hören Sie mich?!“
Wieder nichts.
Da stimmt etwas nicht. Ich habe mir die Schreie doch nicht nur eingebildet!
„Frau Baum?! Ich komme jetzt rein!“
Er wartete noch einmal für einen kurzen Moment. Doch da noch immer nichts geschah, spannte er schließlich seine Körpermuskulatur an und trat mit voller Wucht gegen die Wohnungstür. Diese flog splitternd auf, prallte gegen die Innenwand und federte
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