'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
eine Tür öffnen, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, was sich hinter dieser verbarg.
Kann es etwas Schlimmeres für einen Polizisten geben?!
Zwar fiel ihm kaum ein schrecklicheres Szenario ein, doch je länger er wartete, desto unwohler würde ihm werden. Das wusste er aufgrund seiner zehnjährigen Erfahrung bei der Kripo nur zu gut. Aus diesem Grund riss er sich jetzt zusammen, brachte all seinen Mut auf und öffnete die Tür mit einem kräftigen Ruck. Abermals kniete er sich hin und richtete die Waffe nach vorne.
Diesmal sah er sich dem hellerleuchteten Schlafzimmer gegenüber. Ein Bett stand in der hinteren Ecke, die Rollladen am Fenster waren heruntergelassen. An der Westwand hingen zwei impressionistische Bilder. Auch dieses Zimmer war leer. Es sei denn, jemand versteckte sich im Kleiderschrank. Doch Thomas kam nicht mehr dazu, diesen zu kontrollieren. Denn als er einen Blick nach rechts warf, entdeckte er die geschlossene Badezimmertür, unter der Blut hervorfloss.
Tommys Atem beschleunigte sich wieder. Er begab sich zum Badezimmer, positionierte sich versetzt davor und ging in die Hocke. Dann befeuchtete er seine Lippen und nickte überzeugt. Auf drei!
Er schluckte. Eins …! Seine Augenlider zuckten. Zwei …! Er presste die Lippen aufeinander. Und drei!
Blitzschnell schoss er vor, griff zur Türklinke und stieß die Tür auf.
Dann zuckte er schockiert zurück.
4
Nora Feldt wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich die erlösende Nachricht zu erhalten. Doch so sehr sie es auch hoffte, der Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin erschien nicht. Die Tür des Krankenhauszimmers in der Göttinger Uniklinik blieb nach wie vor geschlossen.
Die 37-jährige Hauptkommissarin saß kraftlos vor dem Bett, in dem ihr Lebenspartner Timo Lechner seit nunmehr drei Monaten im künstlichen Koma lag. Zwar kennzeichnete sie schon von Natur aus eine extreme Blässe, doch so fahl wie in diesem Moment war Nora nie zuvor gewesen. Die Angst und Ungewissheit der letzten Wochen und Monate hatten sichtbare Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen und setzten ihr von Stunde zu Stunde noch weiter zu.
„Aber ich werde niemals aufgeben. Ich bin immer an deiner Seite, Schatz. Gemeinsam bringen wir diese schwere Zeit hinter uns. Die Hoffnung stirbt zuletzt“, flüsterte sie Timo zu, wobei sie ihre Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte.
„Ich liebe und brauche dich so sehr. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. Gib mir bitte ein Zeichen. Nur ein kleines Lebenszeichen, damit ich weiß, dass du noch kämpfst.“
Nora wusste, dass ein solches Zeichen - und sei es nur ein winziges Zucken mit dem Augenlid - ungeahnte Kräfte in ihr freisetzen könnte. Denn es würde ihr nach den vergangenen drei Monaten des Kummers beweisen, dass definitiv noch Hoffnung bestand.
Doch noch blieb dieses Zeichen aus. Noch war Timo in der dunklen Welt der Sterblichkeit gefangen. Und je länger er dort mit dem Tod rang, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass er seine Augen tatsächlich noch einmal öffnete. Das wusste Nora genau.
Nichtsdestotrotz war die Kommissarin weiterhin davon überzeugt, dass ihr Lebenspartner den Tod früher oder später besiegen würde. Er würde es ganz sicher schaffen, selbst wenn diese Schlacht noch Monate andauern sollte. Schließlich gab es durchaus Fälle, bei denen die Patienten sogar erst nach mehreren Jahren aus dem Koma erwacht waren.
Solange also noch die winzige Aussicht auf eine positive Wendung besteht, gebe ich nicht auf. Niemals. So wahr ich hier sitze.
Wenngleich ihr die quälende Furcht um Timos Leben bereits eine Unmenge von Energie abverlangte, musste Nora sich zu allem Überfluss auch noch mit dem Gedanken herumschlagen, dass die letzten Worte, die sie mit Timo gewechselt hatte, in einem vollkommen unnötigen Streit gefallen waren.
Warum habe ich seine Eifersucht damals nicht umgehend aus der Welt geschafft? Wieso habe ich ihm nicht sofort bewiesen, dass ich keine sexuelle Affäre mit Tommy unterhalte?
Nora begann zu schluchzen. Sie zog ihre Nase hoch und seufzte. Dann ließ sie ihren Kopf sinken und starrte auf Timos Handrücken.
Ich liebe nur dich, Timo. Nur dich. Kein anderer Mann interessiert mich. Das musst du mir glauben. Und es tut mir unendlich leid, dass ich dir das vor drei Monaten nicht unmissverständlich bewiesen habe.
Im Spätsommer dieses Jahres hatte Timo die Vermutung beschlichen, dass Nora ihn mit ihrem Kollegen Thomas Korn betrog. Diese
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