'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
inne und überlegte. Dann fuhr er fort: „Da fällt mir gerade noch etwas Merkwürdiges auf: Carsten sagte, dass er eben die Lehrpläne vor den übrigen Hörsälen überprüft hätte. Das erscheint mir in Anbetracht der Situation ebenfalls seltsam. Wenn er nämlich wirklich davon überzeugt war, dass seine Freundin ermordet wurde, hätte er dann tatsächlich die Lehrpläne überprüft? Ich hätte in dieser schockierenden Situation garantiert nicht so rational gehandelt.“
„Ja, auch diesen Punkt sollten wir im Hinterkopf behalten“, merkte Nora an. „Aber ich denke, dass wir Anabell Würgers Aussage abwarten sollten, bevor wir uns näher mit Carsten beschäftigen. Danach sehen wir weiter. Jetzt sollten wir zunächst Danielas Eltern über den Mord informieren.“
16
Ich bin enttäuscht. Daniela ist so gutgläubig mit mir in den Hörsaal gegangen, dass es für mich das reinste Kinderspiel war, sie dort zu töten und alle nötigen Spuren zu hinterlassen. Das gefiel mir nicht. Wenn mir eine Sache zu einfach gemacht wird, dann fehlt mir die Herausforderung. Daher hätte ich mir gewünscht, dass Daniela ein wenig hartnäckiger gewesen wäre. Aber gut. Es läuft nun einmal nicht immer alles so, wie man es gerne hätte. Wahrscheinlich sollte ich lieber froh sein, dass mein Plan bis zu diesem Zeitpunkt perfekt funktioniert.
Aber das war eigentlich logisch. Denn ein gut durchdachter Plan ist wie eine Freikarte zum perfekten Verbrechen. Die Durchführung ist nur noch Nebensache. Sie ist nicht mehr von Bedeutung. Selbstverständlich muss man durchgängig seine Nerven im Griff behalten. Doch das ist auch schon der einzige Punkt, den es während der Tat zu bedenken gilt. Der Rest läuft ganz von alleine.
Wer steht denn als Nächstes auf meiner Liste?
Ah! Na, das wird ein Spaß! Ich könnte mich kugeln!
Aber bis dahin ist es noch etwas Zeit. Schließlich will ich den Kommissaren eine faire Chance geben, mich zu schnappen. Ich bezweifle allerdings stark, dass sie mir auch nur annähernd auf die Spur kommen werden. Sie sehen nämlich jetzt schon resigniert aus. Völlig verzweifelt gehen sie an den Hörsälen vorbei und ahnen nicht das Geringste von der Tatsache, dass ich keine zehn Meter von ihnen entfernt stehe. Zum Greifen nah. Ich könnte jetzt zu ihnen gehen und sie ganz harmlos ansprechen. Selbst dann würden die beiden nicht raffen, wer gerade vor ihnen steht.
Doch das wäre sicherlich ein bisschen zu viel des Guten. Immerhin möchte ich nicht arrogant wirken. Stattdessen werde ich mich weiterhin konsequent an meinen Plan halten. Ich werde ihn strikt durchführen. Punkt für Punkt. Nur auf diese Weise kann ich zu meinem endgültigen Ziel kommen. Und das werde ich schaffen.
Schon sehr, sehr bald.
17
Xenia Boll lachte aus vollem Hals. Zwar zog ihr lautes, wieherndes Gelächter bereits viele Blicke auf sich, doch das war der jungen Studentin gleichgültig. Sie konnte sich einfach nicht mehr zurückhalten.
„Dieser Typ hat dich tatsächlich angebaggert?“, fragte sie ihre Freundin Caroline Kötter. „Das ist ja widerlich!“
Caroline nickte betrübt. Sie strich sich über ihre kurzen schwarzen Haare, zupfte ihren gelben Pullover zurecht und erklärte: „Er kam nach einer Vorlesung zu mir, stellte sich vor mir auf, als würde er eine Rede halten, und sagte mit geschwollener Brust: ‚Hallo Caroline. Ich bewundere dich schon seit langer Zeit. Deine offene Art ist erfrischend und belebend zugleich. Darum möchte ich dich hiermit bitten, eine Verabredung mit mir einzugehen.’“
Wieder begann Xenia zu lachen. „Der Kerl lebt auf einem anderen Stern! Der kommt überhaupt nicht klar im Leben! Und jetzt hast du den auch noch an der Backe! Du bist echt nicht vom Glück gesegnet!“
Xenia und Caroline saßen im Nikolai , ihrem Lieblingscafé in der Innenstadt. Hier trafen sie sich jeden zweiten Tag um 18 Uhr 30 für eine halbe Stunde, um einander die neuesten Ereignisse in ihren Leben mitzuteilen. Die beiden Freundinnen kannten sich seit knapp anderthalb Jahren. Sie hatten zusammen ihr Germanistikstudium an der Universität begonnen und sehr schnell gemerkt, dass sie auf derselben Wellenlänge lagen. Beide konnten sich für die deutsche Sprache begeistern, liebten das Reisen und interessierten sich für klassische Musik. Selbst was den Männergeschmack betraf, schienen die beiden dieselben Vorlieben zu haben. Zumindest konnte jeder andere Cafébesucher aus ihrem derzeitigen Gespräch heraushören, dass sie ihren
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