'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
hier.“
„Alleine?“
„Ja.“
„Zu dumm für Sie.“
„Meinen Sie? Nun, ich habe mir noch nie etwas zu Schulden kommen lassen. Und ich habe erst recht nichts mit den Morden zu tun. Also ist es mir egal, was Sie denken.“
„Demnach ist es Ihnen egal, dass wir Sie als Verdächtige in unsere Ermittlungen mit einbeziehen?“
„Machen Sie, was Sie nicht lassen können. Ich habe nichts zu befürchten und vertraue in unseren Rechtsstaat. Der wahre Mörder wird früher oder später gefasst. Solche Kerle sind nämlich niemals schlau genug, um mit einem Mord ungestraft davonzukommen.Ich könnte das wahrscheinlich schaffen. Aber ich habe keine Lust dazu.“ Sie sah von Tommy zu Nora. „Und ich hoffe sehr, dass Sie kompetent genug sind, um die Fehler des wahren Mörders zu entdecken. Denn ich werde ganz bestimmt nicht für die Taten eines anderen Menschen ins Gefängnis wandern.“
Nora blickte die Studentin reserviert an. „Wir gehen recht in der Annahme, dass Sie die Stadt in nächster Zeit nicht verlassen werden, oder?“
„Klar, wo sollte ich denn auch hin? Das Sommersemester hat gerade erst begonnen. Also werde ich jetzt ordentlich hier feiern. Ich kann mir das leisten, denn für gute Noten muss ich nicht viel lernen. Die fliegen mir zu.“ Sie lachte. „Mit Ihnen würde ich momentan allerdings nur ungern tauschen. Wenn Sie den Täter nämlich nicht bald fassen, dann stehen Sie ganz schön dumm dar, nicht wahr?“
Thomas knirschte mit den Zähnen. Er wollte gerade etwas erwidern, als Nora sagte: „Wir danken Ihnen für Ihre Auskünfte, Frau Ranz. Möglicherweise kommen wir in den nächsten Tagen noch einmal auf Sie zurück.“ Sie ergriff ihren Kollegen am Arm und zog ihn mit sich zum Flur.
Maria blieb auf der Couch sitzen und schleuderte ihnen hinterher: „Viel Glück bei der Mördersuche. Sie schaffen das schon. Ich glaube an Sie.“
Die Ermittler überhörten das hämische Kichern der Studentin. Sie öffneten die Haustür, schritten hinaus zu Noras Ford und stiegen ein. Gleichzeitig klingelte Tommys Handy.
„Ja, hier Korn?“, meldete er sich.
„Scarface? Hier ist Dorm.“
„Was gibt’s, Kollege?“
„Vielbusch und ich waren eben bei Anabell Würger. Sie hat bestätigt, gestern zwischen 16 und 18 Uhr mit Carsten Traupe in dessen Wohnung an einem Referat gearbeitet zu haben. Und für den ersten Mord hat der Knabe ebenfalls ein perfektes Alibi: Zur Tatzeit hat er in einem Seminar gesessen. Die Professorin, die dieses Seminar leitet, hat das schon bestätigt.“
Tommy blickte aus dem Seitenfenster des Wagens und dachte nach. Einige Sekunden später verkündete er: „Na gut, vielen Dank für die Auskünfte, Kollege. Dann scheidet dieser Carsten definitiv als möglicher Täter aus.“ Er beendete das Gespräch und steckte sein Handy wieder ein. Dann teilte er Nora die Neuigkeiten mit.
„Carsten Traupe scheint also lediglich etwas neben der Spur zu sein“, sagte seine Kollegin. „Zumindest deutet seine ‚spirituelle Verbindung’ zu Daniela darauf hin. Ein Mörder ist er aber definitiv nicht.“
„Es sieht so aus“, brummte Tommy. „Es sieht so aus.“
23
Um 11 Uhr 30 betraten Nora und Thomas mit mulmigen Gefühlen die Gerichtsmedizin, begaben sich in den Kellerbereich und trafen dort auf Professor Markus Horn. Der 55-Jährige war eins fünfundachtzig groß, hatte eine sportliche Figur und trug einen Vollbart sowie eine Nickelbrille. Als er Nora und Thomas erblickte, schüttelte er umgehend den Kopf.
„Die Obduktion von Daniela Langenmeier gehörte mit zu den schlimmsten, die ich bisher durchführen musste. Und Sie wissen, dass ich mittlerweile seit 25 Jahren in diesem Bereich tätig bin.“
„Mussten Sie denn nicht vor einigen Jahren eine grausam geschändete Mädchenleiche obduzieren? Im Vergleich dazu dürfte dieser Fall doch nicht ganz so schlimm gewesen sein“, vermutete Nora.
„Theoretisch ist das richtig. Praktisch sieht die ganze Geschichte leider etwas anders aus. Es lagen zwar keine Verstümmelungen, Schändungen oder sonstige abartige Verletzungen vor, aber an Trauer war diese Obduktion nicht zu überbieten. Mir wird jetzt noch ganz anders, wenn ich daran denke.“
Nora sah Tommy irritiert an. Dann folgten die beiden dem Professor in den Autopsiesaal. Dieser war kaum dreißig Quadratmeter groß und wurde rundherum von weißen Kacheln geziert. In der Mitte standen zwei Seziertische. Auf dem ersten lag Daniela Langenmeiers Leichnam. Der Körper war mit einem
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