'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
preschten.
Die unbekannte Person war schon längst aus ihren Blickfeldern entschlüpft. Dennoch jagten die beiden unerbittlich voran. Thomas spurtete so schnell er konnte. Nora kniff ihre Augen zusammen und hastete hinter ihm her. Mit riesigen Schritten sprinteten sie über das Gras.
Keine zehn Meter lagen mehr zwischen Tommy und dem Waldrand, als plötzlich ein zweiter Knall ertönte. Dieser dröhnte sogar noch lauter durch die Luft als der erste.
„Scheiße! Runter! Schnell!“, brüllte Thomas seiner Partnerin zu, bevor er sich selbst mit einer Hechtrolle zu Boden warf. Nora tat es ihm gleich und richtete ihre Pistole in Richtung Waldrand. Sie schluckte. Schweiß drang aus all ihren Poren. Die Waffe vorgestreckt, prüfte sie das trügerische Gelände.
Lauert dieser Irre wirklich dort im Wald? Hat er uns dreist beobachtet?
Die Kommissarin sammelte ihre Konzentration. Thomas lag fast zehn Meter vor ihr. Er hatte den großen Busch gleich erreicht. Aufgrund der beiden Schüsse blieb er aber zunächst noch am Boden liegen.
Erst als sich nach einer halben Minute nichts weiter ereignet hatte, erhob er sich langsam wieder. Nora stand ebenfalls auf, schloss in gebückter Haltung zu ihm auf und betrat an seiner Seite den Wald. Mit pochenden Herzen schlichen sie voran, fixierten jeden Baumstamm, jede dunkle Ecke, jeden Ast.
Da sie den Mörder nirgends sehen konnten, tasteten sie sich rasch weiter vor. Eiskalte Schauer jagten ihnen über die Rücken, als sie daran dachten, dass der Irre hinter jedem einzelnen Baumstamm lauern konnte. Jeden Moment konnte er blitzartig hervorschnellen und sie über den Haufen schießen. Kaltblütig. Ohne Reue.
Plötzlich blieb Tommy stehen. Was zum Teufel ist denn das?!
Im Augenwinkel erkannte er, dass auch Nora das seltsame Etwas bereits entdeckt hatte. Verdutzt wechselten sie einen Blick. Dann traten sie vor, wobei sie ihre Seiten nicht eine Sekunde lang aus den Augen ließen. Doch vom Mörder war weit und breit weder etwas zu sehen noch zu hören.
„W as ist das?“, fragte Tommy nun laut.
Nora reckte das Kinn und schielte an den Baumstämmen vorbei. Dann antwortete sie: „Das ist eine rote Sportasche.“
Während sie erneut alle Richtungen nach dem Täter absuchte, huschte Tommy draufgängerisch voran.
Tatsächlich lag eine herkömmliche rote Sportasche auf dem Waldboden. Auf deren Vorderseite stand KORN, auf deren Rückseite FELDT in schwarzer Farbe geschrieben.
Auf Anhieb erkannte Thomas, dass der Reißverschluss der Tasche lediglich bis zur Hälfte zugezogen war. Er ging in die Knie, positionierte sich vor der Tasche und griff mit enormer Neugierde hinein.
„Es ist nichts drin“, stieß er schon aus, als er jäh etwas zu Greifen bekam.
„Was ist? Was hast du?“, fragte Nora.
Tommy schluckte. Er zog seinen Arm wieder hervor und hielt eine Videokamera in der Hand. Rasch drehte er sie auf die Seite, klappte den Bildschirm auf und drückte auf PLAY.
Nora blickte erneut in den Wald. Da sie den Mörder noch immer nicht entdecken konnte, platzierte sie sich schließlich hinter Thomas und riskierte genau wie er einen Blick auf das laufende Video.
Das Band startete von Beginn an. Die erste Einstellung zeigte eine Großaufnahme des Hauses der Familie Hausmann. Weil das Bild stark wackelte, nahmen die Kommissare an, dass der Täter die Kamera während der Aufnahme in der Hand gehalten hatte. Zudem erkannten sie, dass er durch die Seitenscheibe eines nicht zu identifizierenden Autos gefilmt hatte.
In der rechten unteren Ecke des Bildschirms sahen die Ermittler das Datum der Aufnahme: 10.06.2010 – vor über einem Jahr.
Nachdem das Band fünf Sekunden gelaufen war, öffnete sich die Haustür der Hausmanns und Jasmin erschien auf der Schwelle. Sie trug ein grünes T-Shirt zu einer hellen Jeans. Über ihrer rechten Schulter hatte sie einen Rucksack geschwungen. Sie schloss die Haustür hinter sich und schritt über den Kiesweg durch den Vorgarten. Als sie auf dem Bürgersteig anlangte, zoomte der Mörder ganz nah auf ihr Gesicht. Sobald dieses in Großaufnahme auf dem Bildschirm zu sehen war, wurde dieser urplötzlich schwarz.
Eine Sekunde später begann eine neue Aufnahme. Datum: 10.01.2011.
Die zweite Aufnahme bot exakt dasselbe Ausgangsbild: Die Kommissare sahen durch eine Autoscheibe auf das Haus der Hausmanns. Nach fünf Sekunden öffnete sich erneut deren Haustür und Jasmin trat wieder in den Vorgarten. In einer Winterjacke und einer dicken Stoffhose schritt sie
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