'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
bis zum schneebedeckten Bürgersteig vor. Als sie ruckartig nach rechts blickte, wurde der Bildschirm pechschwarz.
Schon startete eine dritte Aufnahme: 20.07.2011.
„Grund Gütiger!“, stieß Nora aus, als sie denselben Ablauf erneut auf dem Kamerabildschirm verfolgte. „Der Irre hat das Mädchen über ein Jahr observiert! Das ist doch nicht möglich! Das ist absolut gestört!“ Ebenso ungläubig wie schockiert sah sie ihren Kollegen an.
„Der Kerl ist vernarrt in Jasmin“, brachte Tommy hervor. „Ganz offensichtlich ist sie für ihn etwas Besonderes.“
Kaum hatte er dies gesagt, da fiel sein Blick flüchtig zurück auf die Sporttasche. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er seinen Kopf vorschob und von sich gab: „Dort liegt noch etwas am Innenrand der Tasche.“
Er legte die Videokamera, deren Band lediglich die drei eben gesehenen Aufnahmen enthielt, auf den Boden und griff ohne zu zögern wieder in die Tasche hinein. Als er seine Hand kurz darauf herauszog, hielt er die vier zerfetzten Enden zweier Knallkörper in den Fingern.
„Die Knalls, die wir eben gehört haben, sind keine Schüsse gewesen. Der Mistkerl hat lediglich zwei Böller gezündet. Aber warum?“
„Um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken“, ahnte Nora. „Er wollte , dass wir ihn entdecken. Er wollte sicherstellen, dass wir ihn hierher verfolgen und die Tasche samt Kamera finden.“
„Aber die Tasche hätte er auch neben die Leiche stellen können“, wunderte Thomas sich.
„Schon, aber ich schätze, er wollte uns um jeden Preis unter die Nasen reiben, dass er uns bei unserer Arbeit beobachtet hat. Und diese Tasche beweist eindeutig, dass auf jeden Fall er es war, der hier im Wald gelauert hat.“
Tommy stieß einen verächtlichen Fluch aus. „Du könntest recht haben. Das erklärt auch, warum er die Leiche hier in den Fluss geworfen hat. Von diesem Waldabschnitt konnte er uns nämlich aus sicherer Entfernung beobachten. Und er hat sie unter die Brücke gelegt, weil wir uns somit vom Süden an den Fundort annähern mussten. Das war der kürzeste und einfachste Weg.“
„Ja, und weil wir nun alle unsere Einsatzfahrzeuge im Süden geparkt haben, kann er in aller Ruhe Richtung Norden oder Westen fliehen, während wir versuchen, den Wald zu umstellen. Denn er weiß genau, dass wir aufgrund der B 27 einen großen Umweg fahren müssen, um dieses Waldstück zu erreichen. Der Kerl ist gut. Es mag zunächst so aussehen, als wäre er ein hohes Risiko eingegangen, uns zu beobachten. Aber das ist nicht im Geringsten der Fall. Er hatte sich diesen Ort wahrscheinlich in langer Planung ausgeguckt und alles wieder exakt geplant. Mit jedem seiner Schritte beweist er uns, dass er noch ausgebuffter, noch abgebrühter, noch kühner wird.“
„Also bleibt uns jetzt nur noch zu hoffen, dass der Experte vom BKA uns morgen früh hilfreiche Tipps liefern kann, was?“
Nora nickte resigniert. „So ist es.“
27
Es hat alles perfekt funktioniert.
Während der Mörder dieses Fazit zog, wanderten seine Mundwinkel unweigerlich in die Höhe. Er lächelte, weil er genau wusste, dass die Polizisten zu spät kämen, um ihn noch aufhalten zu können. Er würde mit seinem Wagen problemlos aus dem Wohngebiet hinter der B 27 fliehen können.
Welch eine unbeschreibliche Freude hat es mir bereitet, die Bullen bei ihrer hoffnungslosen Ermittlungsarbeit zu beobachten? Wie viel Spaß hatte ich bei dem Anblick ihrer ahnungslosen Gesichter? Sie haben allesamt nicht die geringste Idee, wie sie mich aufhalten können. Denn ich hinterlasse keine Hinweise auf meine Identität. Dafür bin ich viel zu raffiniert. Spätestens nach diesem dritten Mord werden die dummen Bullen das auch einsehen. Sie werden denken, dass sie es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun haben. Aber wenn die wüssten! Ich bin ihnen nicht nur ebenbürtig, ich bin ihnen weit voraus! In ihrer maßlosen Arroganz werden sie das jedoch noch nicht bemerkt haben. Folglich muss ich es ihnen noch deutlicher beweisen. Ich muss ihnen vor Augen führen, wie gewieft ich tatsächlich bin. Nur dann kann ich ans Ziel meiner Träume kommen. Nur dann! Und ich werde dieses Ziel erreichen! Ganz bestimmt!
Mit 50 km/h fuhr der Mörder über die Straße Unterm Hagen in Richtung Westen, um sich anschließend in aller Ruhe über die Eisenbreite zu verdrücken. Im Nu befand er sich unterwegs zur Innenstadt und ließ die ratlosen Polizisten hinter sich zurück.
Ich bin einfach der Größte!
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