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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Rat hoch hergehen, und der Groll,
     ja Haß, der daraus erwachsen mag, wird uns, fürchte ich, noch großes Ungemach bereiten.«

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    |30| ZWEITES KAPITEL
    Der Große Königliche Rat, zu dem ich keine Minute zu früh eintraf, hatte am sechsundzwanzigsten Dezember 1628 statt. Dieses
     Datum wird in meinem Gedächtnis wohl unauslöschlich bleiben, denn wie bereits angedeutet, strotzten die dort vorgebrachten
     Reden von Drohungen, direkten gegen Richelieu, indirekten gegen den König und somit gegen alle, die ihnen und ihrer Politik
     die Treue hielten.
    Niemand gehörte allein aufgrund seines Ranges oder seines Geblüts zum Königlichen Rat. Die Entscheidung traf Ludwig. Selbst
     die Königinmutter erhielt nach der Rückkehr aus ihrer wohlverdienten Verbannung nur mit einiger Mühe den Zutritt für sich
     und mit noch weit größerer für Richelieu, der damals ja als ihr treuester Diener galt.
    Gaston hatte nie einen Sitz, soviel Geschrei er danach auch erhob. Was die Herzöge und Pairs betraf, so waren sie nicht sämtlich
     vertreten, und von den zehn Marschällen nur Schomberg und Bassompierre. Die anderen acht – Vitry, Saint-Géran, Chaulnes, Créqui,
     Châtillon, La Force, d’Estrée, Saint-Luc – gehörten nicht zum Rat und von den vier Kardinälen – La Rochefoucauld, La Valette,
     Bérulle und Richelieu – nur die zwei letzteren.
    Ausgewählt hatte Ludwig die Räte nach seinen Vorstellungen von ihrem Sachverstand, ihrer Verschwiegenheit und ihrer Treue,
     dergestalt daß nicht einmal die Königin zugelassen war, hatte der König doch allen Grund, ihre Loyalität ihm und ihrem neuen
     Land gegenüber zu bezweifeln.
    Hinzufügen will ich, daß Ludwig, der mit seinen Finanzen streng haushielt, die Zahl seiner Räte nicht unnötig zu erhöhen trachtete,
     denn sie erhielten Bezüge, die auch jene gern nahmen, die, so wie ich, nicht arm waren. Ludwig wußte das, und als Bassompierre,
     der ständige Frondeur, sich einmal weigerte, seine Ansicht zu äußern, machte er ihm dies unverblümt zum Vorwurf: »Sprecht,
     mein Cousin, sprecht!« rief Ludwig. »Das |31| ist Eure Pflicht und Schuldigkeit als Königlicher Rat!
Werdet Ihr nicht gut dafür bezahlt?
«
    Wenn der Rat zusammentrat, saßen nur der König und die Königinmutter. Die Räte standen, was auf die Dauer anstrengend war,
     immerhin aber den Vorteil hatte, daß keiner die Debatte durch Wortgeklingel in die Länge zu ziehen versuchte.
    Richelieu stand links neben dem König, zu seiner Rechten saß die Königinmutter. Geschmückt wie ein Götzenbild, mit der Schöpfkelle
     geschminkt und mit Schmuck überladen, füllte sie den Lehnstuhl mit ihrem üppigen Körper gänzlich aus, an den Seiten quollen
     ihre Hüften sogar über die Sitzfläche, dazu war ihr Gesicht pausbäckig und endete in einem Doppelkinn.
    Obwohl sie die schlechteste Regentin der Reichsgeschichte gewesen war, hegte sie von sich eine hohe Meinung und maß die Königlichen
     Räte mit geringschätzigem, borniertem und starrsinnigem Blick.
    Von den großen Dingen, die in ihrer Gegenwart verhandelt wurden, verstand sie nichts; sie konnte über ihren eigenen Tellerrand
     nicht hinaussehen und sich um ein Nichts so erbosen, daß sie den Gegenstand ihres Grolls mit Beschimpfungen überhäufte wie
     ein Fischweib aus den Hallen, wobei man sich fragte, wo sie derlei gelernt hatte, da sie doch im Louvre lebte. Und sobald
     die ihr unverständlichen langen Wortgefechte sie langweilten, brabbelte sie wirres Zeug, dem niemand die geringste Beachtung
     schenkte, auch nicht ihr Sohn.
    Wenn ich, wie gesagt, keine Minute zu früh zum Rat eintraf, so erschien der Kardinal de Bérulle um Minuten zu spät, doch so
     blaß und so sichtlich angegriffen, daß Ludwig dem hinter ihm stehenden Beringhen befahl, dem Prälaten einen Stuhl bringen
     zu lassen. Mir war sofort klar, und Richelieu, dem ich einen Blick zuwarf, verstand es besser als alle anderen: Der arme,
     kranke und vor Fieber schweißnasse Bérulle hatte sich gewaltsam seinem Krankenlager entrissen, nur um beim Rat zugegen zu
     sein und vehement die Frage zu verneinen, die sich den Räten an diesem Morgen stellte: Sollen wir dem von den Spaniern belagerten
     Casale zu Hilfe eilen oder nicht?
    Sosehr ich die Politik des Kardinals Bérulle ablehnte, weil sie für Frankreich höchst unheilvoll gewesen wäre, empfand ich
     doch Respekt für seine Person und sein Werk, das Oratoire, das er gegründet hatte, um die französische Priesterschaft

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