Rache der Königin
betrachtete. Und
der kam er gewissenhaft fünf- bis sechsmal im Monat nach, so gewissenhaft sogar, daß er die Königin in der Frühe zweimal beehrte
– was am folgenden Morgen die im Gemach anwesende Kammerfrau zu bezeugen hatte, die es augenblicklich dem königlichen Leibarzt
Bouvard meldete, der es der Königinmutter meldete, die es alsdann dem Hof verkündete.
Ludwigs Bemühungen waren besonders verdienstvoll, weil vergeblich; bislang hatte die Königin noch keine ihrer vier Schwangerschaften
auszutragen vermocht, weshalb die Ärmste in Verzweiflung geriet bei dem Gedanken, daß sie, wenn der König stürbe, gar nichts
wäre, weil kein Thronfolger sie dann zur allseits geehrten Königinmutter machen konnte. Noch größer war aber sicherlich Ludwigs
Betrübnis, auch wenn er kaum darüber sprach, daß ihm, wenn er keinen Sohn bekäme, sein Bruder Gaston nachfolgen würde, von
dem er keine allzu hohe Meinung hegte, und das nicht ohne Grund.
Wie dem auch sei, Ludwig erteilte mir sein Einverständnis sowohl für meine Vermählung wie für meine Reise nach Nantes, die
allerdings entfiel. Am Morgen vor dem für meine Abreise vorgesehenen Tag kleidete ich mich eben an, als im Hof von Brézolles
großes Geläut erscholl, und mit einem Blick durchs Fenster sah ich vorm Gittertor eine Karosse samt zwei, drei Kutschwagen
halten. Schon kamen mein Hauptmann Hörner und seine Schweizer gewaffnet aus den Pferdeställen gelaufen, sicherlich um die
Ankömmlinge zu fragen, was, zum Teufel, sie in dieser Frühe von mir wollten. Ich selber war ganz verwundert und wußte mir
das Wieso und Warum des unverhofften Besuchs nicht zu deuten. Als ich indessen sah, daß Hörner, statt seinen Degen zu ziehen,
tief den Hut zog und die Besucher ehrerbietigst grüßte, begann das Herz mir wie wild zu klopfen, im Nu lief ich, im bloßen
Wams und ohne Hut, die große Schloßtreppe hinab und trat auf den Perron, gerade als die Karosse, der die Kutschen nachfolgten,
an der Freitreppe hielt. Kaum sah ich das Wappen am Schlag, als ich auch schon die Stufen hinunterstürzte, während der Kutscher
rasch vom Bock herabsprang und den Schlag öffnete. Zum Vorschein kam das lachende Gesicht von Madame de Brézolles. Und als
der Diener den Tritt niederklappte, begann sie der Karosse zu entsteigen, oder vielmehr, |10| sich ihr zu entwinden, denn wegen ihres umfangreichen Reifrocks war das kein leichtes Unterfangen. Endlich gelang es, und
die niedlichen Füße zu Boden setzend, reichte sie mir ihre Hand zum Kuß.
»Monsieur«, sagte sie dabei mit süßer Stimme, »wie freue ich mich, wieder auf meinem Landsitz zu sein, und vor allem, Euch
wiederzusehen! Und hier ist Euer Sohn«, setzte sie leise hinzu, »aber laßt Euch Eure Rührung nicht anmerken.«
Und schon entstieg derselben Karosse eine Amme, die wie das Heilige Sakrament das geliebte Kindlein trug, das laut Taufregister
der Kathedrale von Nantes der postume Sohn des Herrn Marquis de Brézolles, in Wahrheit aber der meine war, wie ich es im vorigen
Band dieser Memoiren erzählte.
Diese Amme, die ich zuerst kaum beachtete, weil meine Augen nur bei meinem Sohn und mein Herz bei seiner Mutter weilten, wurde
aber im Haus Brézolles dann eine so wichtige Person, daß ich hier ein für allemal mein Verslein über sie singen will, ehe
ich mich größeren Dingen zuwende.
Mutter Natur hatte sie mit prächtigen Brüsten ausgestattet, die denn auch ihr ganzer Schatz und Broterwerb waren, brachte
sie doch, wie ich später hörte, ihr dralles junges Leben damit zu, sich von ihrem Mann schwängern zu lassen, sobald eine hohe
Dame sich ihrer Bereitschaft versicherte, um dann ungefähr zur gleichen Zeit niederzukommen und von ihrer überreichen Milch
das Kind der Herrin wie das eigene zu nähren. So war dies nun ihr sechster Sprößling, für den sie, ebenso wie für die fünf
vorherigen, von ihrer Auftraggeberin eine kleine Leibrente bezog, zusätzlich zu dem Lohngeschenk für ihre guten Dienste. Sie
hieß Honorée, die »Geehrte«, und gedachte dies auch zu bleiben, hatte der Herr sie doch mit einer Wundergabe gesegnet, wobei
sie überdies noch schmuck und kräftig war, mit klaren Augen, Apfelbacken, breitem Lächeln und gesunden Zähnen. Ich glaube,
sie war furchtbar stolz auf ihre beiden Lebensbrünnlein und hielt sich für eine Art Priesterin, die nichts zu keuscher Scham
verpflichtete, denn sowie das Bübchen quärrte, nestelte sie sich auf, wie
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