Rache der Königin
unglücklichen Kardinal de Bérulle mit eingespannt hatte.
Das Manöver bestand darin, daß die beiden Gevatter jedesmal, wenn vor der Königinmutter von Richelieu gesprochen wurde, ganz
betont schwiegen, traurig den Kopf senkten und mitleidig oder furchtsam seufzten, rechte Frömmlergrimassen, |34| die über den Feind viel Böses sagten, gerade indem sie nichts sagten. Auf Marias beschränkten und argwöhnischen Geist hatte
das wiederholte Getue schließlich die gewünschte Wirkung, und sowie die Königinmutter schwankend und zweifelnd wurde, wechselten
unsere Frömmler die Taktik und attackierten frontal.
Daß Richelieu ein großer Minister sei, gar keine Frage, doch erwies er sich denn nicht als undankbar, wenn er sich vor Entscheidungen
niemals mehr mit der Königinmutter beriet? Vergaß er, daß er es ihr verdankte, was er jetzt war? Zeigte er nicht unverhohlen,
daß er sich von ihr keinerlei Aufklärung mehr erwartete? Er setzte sie herab! Er vernachlässigte sie! Er liebte einzig den
König! Nur ihm galten sein Denken und Tun! Schlimmer noch, er stand zwischen ihr und Ludwig, hielt sie von ihm fern, wie in
Dunkel und Ohnmacht verstoßen! War es nicht unerträglich kränkend, wie dieser Emporkömmling sie überall verdrängte, sie, die
einmal Frankreich regiert hatte? Die Mutter des Königs! Deren Ratschläge Richelieu auf Knien hätte erbitten und befolgen müssen!
Und jetzt tat Richelieu auch noch, als teile er die gerechte Abneigung der Königinmutter gegen Gastons Vermählung mit der
Tochter des Herzogs von Nevers, doch in Wahrheit, und sie hätten den Beweis (den sie aber nicht zu liefern wußten), ermutigte
er Gaston heimlich in diesem ungehörigen Plan.
Leser, es war die reine Lüge, und eine sehr unreine Lüge! Der König wie Richelieu waren einer wie der andere, wenn auch aus
anderen Gründen als Maria von Medici, gegen Gastons Vermählung mit der Tochter des Herzogs von Nevers, der ja kürzlich jener
Herzog von Mantua geworden war, dem der Spanier Casale zu nehmen versuchte. Und damit, Leser, sind wir denn wieder bei unserem
Ausgangspunkt, nämlich Herrn von Marillacs auf dieser Ratstagung geäußerten Worten.
»Sire«, sagte er, »auch ich meine, daß Casale nicht so bedeutend ist, wie manche behaupten. Zudem sprechen gute und handfeste
Gründe gegen unser erneutes Engagement. Die Armeen Eurer Majestät sind von der langen Belagerung La Rochelles erschöpft. Sind
sie imstande, abermals eine so große Anstrengung zu leisten? Und erschöpft wie die Männer sind auch unsere Finanzen. Hinzu
kommt, daß man mit einem Eingreifen nicht bis zum Frühjahr warten dürfte, denn bis dahin könnte Casale gefallen sein. Das
hieße sofortigen Aufbruch! |35| Aber ein Feldzug mitten im Winter birgt zahllose Gefahren. Nach Savoyen muß man die Hochalpen überqueren, bis zu den Knien
im Schnee. Könnte Seine Majestät, bei Ihrer fragilen Gesundheit, die Mühen und Gefahren einer solchen Unternehmung wagen?
Und geschähe Ihr – was Gott verhüten wolle – das Schlimmste, ließe Sie eine völlig ungesicherte Erbfolge zurück. Und was wäre
schließlich, wenn unser Heer anlangte zu Susa, und der Herzog von Savoyen in seiner unzuverlässigen Laune und Treue würde
ihm und den nachfolgenden Proviantzügen den Durchlaß nach Casale verweigern?«
Obwohl Ludwig sich nichts anmerken ließ, glaube ich, daß ihm die Anspielungen auf seine Gesundheit und seine problematische
Thronfolge wenig behagten, denn er warf den Kopf auf und sprach mit kalter Höflichkeit in der Stimme:
»Monsieur de Marillac, Ihr fragt, was ich täte, wenn der Herzog von Savoyen unser Bündnis brechen und mir die Versorgung meiner
Armeen und den Marsch durch sein Land nach Casale verweigern würde?«
»Ja, Sire«, sagte Monsieur de Marillac.
»Nun, das gleiche wie Henri Quatre 1601: Ich würde den Herzog schlagen und seine Hauptstadt Susa samt Schloß besetzen. Dann
hätte ich gutes Quartier, Proviant für meine Soldaten und freien Durchzug nach Casale.«
Ludwig sprach mit einem Nachdruck, daß ich mir sagte, er müsse bereits, und nicht ohne Vergnügen, erwogen haben, mit diesem
Feldzug in die Fußstapfen seines verehrten Vaters zu treten. Auch dachte ich, daß der Sieg unserer Frömmler noch längst nicht
ausgemacht war, ja, daß der sogar ziemlich fraglich aussah. Dies schien auch die Königinmutter zu spüren, denn sie verlangte
das Wort. Da sie im Verlauf ihrer unglücklichen
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